Hintergrund
Im kommenden Jahr bleiben die monatlichen Zahlungen im Bürgergeld unverändert. Trotz intensiver Debatten über die Höhe des Bürgergelds ist unklar, wie diese Beträge ermittelt werden. Hier sind die fünf Schritte zur Berechnung des Bürgergelds.
Der Regelsatz beim Bürgergeld beträgt 563 Euro pro Monat. Die Hintergründe sind komplex: Eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Durchschnittsrechnungen fließen in diese Berechnung ein. Der Arbeitsminister betont: “Wir geworfen nicht einfach eine Bürgergelderhöhung!” So erfolgt die Berechnung des Bürgergeldes in fünf Schritten.
Schritt 1: Die Stichprobe
Alle fünf Jahre wird in Deutschland die größte statistische Haushaltserhebung in Europa durchgeführt. Hierbei werden rund 80.000 Haushalte befragt, um ihre Ausgaben zu ermitteln. Viele führen über einen Zeitraum von drei Monaten ein Haushaltsbuch, in dem sie alle Ausgaben dokumentieren.
Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) liefert dem Staat umfangreiche Informationen darüber, wie Haushalte mit niedrigen Einkommen wirtschaften. Diese Daten sind die Grundlage zur Bestimmung des Bürgergeldes.
Das Bundesarbeits- und Sozialministerium beauftragt eine Sonderauswertung, um die Daten der Haushalte mit geringem Einkommen zu analysieren. Die unteren 15 bis 20 Prozent dieser Haushalte dienen als Referenz. Der Gedanke dahinter: Was diese Haushalte ausgeben, sollte auch für Empfänger des Bürgergeldes berücksichtigt werden.
Da die EVS ein umfangreiches Vorhaben ist, erfolgt diese einmal alle fünf Jahre. Die Auswertung selbst kann mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen, bevor die Ergebnisse veröffentlicht werden.
Schritt 2: Der Regelbedarf
Das Bürgergeld soll ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren, bietet jedoch keinen großen finanziellen Spielraum. Der Bürgergeldbetrag orientiert sich nicht direkt am Einkommen der Haushalte aus der Stichprobe, da zusätzliche Ausgaben wie Alkohol oder Tabak nicht berücksichtigt werden.
Im Bundesarbeits- und Sozialministerium werden die Ausgaben aus der EVS überprüft und zahlreiche Posten ausgeschlossen. Der Bundestag hat präzise festgelegt, was nicht zum menschenwürdigen Existenzminimum zählt, darunter Alkohol, Tabak und Luxusausgaben. Der übrig gebliebene Betrag bildet den sogenannten Regelbedarf.
Schritt 3: Das Regelbedarfermittlungsgesetz
Der Bundestag hat in einem Gesetz genau aufgeführt, welche Posten zum Regelbedarf gehören. In dieser Übersicht werden die Bestandteile des Bürgergelds kategorisiert. Ein Einpersonenhaushalt hat beispielsweise Anspruch auf:
- 134,90 Euro pro Monat für Nahrungsmittel
- 2,42 Euro für Schuhe
- 0,28 Euro für Schuhänderungen
- 4,87 Euro für kulturelle Veranstaltungen
- 12,90 Euro für Getränke
Diese detaillierte Berechnung berücksichtigt sogar, dass alkoholische Getränke nicht zum Regelbedarf gezählt werden. Stattdessen wird ein zusätzlicher Bedarf von 3,13 Euro pro Monat für Mineralwasser festgelegt.
Insgesamt summieren sich diese Beträge beim Schreiben des Gesetzes 2020 auf 434,96 Euro. Diese Berechnung basiert auf der statistischen Stichprobe von 2018. Bei der Festlegung des Bürgergelds geht der Bundestag davon aus, dass Empfänger selbst entscheiden, welche Posten sie eventuell kürzen, um zusätzliche Ausgaben zu tätigen.
Trotz der bereits hitzigen Debatten über die Höhe und Methodik der Berechnung hat das Bundesverfassungsgericht diese als verfassungsgemäß bestätigt. Zu beachten ist, dass die Kosten für die Unterkunft separat behandelt und erstattet werden.
Schritt 4: Die Fortschreibung
Die statistische Stichprobe wird alle fünf Jahre erhoben, das entsprechende Gesetz annährend im gleichen Zeitraum erneuert – die nächste Anpassung erfolgt voraussichtlich 2025. Um auf Inflationseffekte reagieren zu können, wird die sogenannte Basisfortschreibung genutzt. Diese gleicht Preissteigerungen aus und basiert auf einer speziellen Inflationsrate, die nur relevante Güter berücksichtigt.
Diese Maßnahme ist wichtig, da die allgemeine Inflation auch durch Mietpreisentwicklungen oder steigende Kraftstoffpreise beeinflusst wird. Das Bürgergeld deckt jedoch keine solchen Kosten. Daher wird eine spezifische Inflationsrate basierend auf Regelbedarfspositionen, wie Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln, berechnet.
Bei einer hohen Inflation in Bereichen wie Lebensmitteln muss das Bürgergeld entsprechend stärker angepasst werden, da diese Ausgaben einen erheblichen Anteil ausmachen.
Für die Berechnung der Erhöhung fließen sowohl Inflation als auch die Entwicklung der Löhne und Gehälter ein. Diese Faktoren werden im Verhältnis 70:30 gewichtet, um festzulegen, wie stark das Bürgergeld erhöht werden muss.
Die Basisfortschreibung zielt darauf ab, Inflationseffekte auszugleichen. Es werden jedoch ältere Daten verwendet, sodass die entsprechenden Erhöhungen erst im darauffolgenden Jahr wirksam werden. Beispiel: Für die Erhöhung zu Beginn von 2024 basierten die Daten auf dem Zeitraum von Juli 2022 bis Juni 2023.
Dies kann dazu führen, dass die tatsächlichen Lebenshaltungskosten schneller steigen, als das Bürgergeld angepasst wird. Empfänger erhalten dadurch oft Beträge, die bis Juni des Vorjahres angemessen waren.
Schritt 5: Die ergänzende Fortschreibung
Die ergänzende Fortschreibung wurde eingeführt, um die Inflation des laufenden Jahres stärker zu berücksichtigen. Diese Berechnung erfolgt auf Basis der Inflationswerte zwischen April und Juni eines Jahres.
So wurde die Erhöhung für 2023 ermittelt: Das Bundesarbeits- und Sozialministerium fand eine Basisfortschreibung von 4,54 Prozent und eine ergänzende von 6,9 Prozent. Infolgedessen wurde das Bürgergeld zum 1. Januar 2023 auf 502 Euro angehoben. Ähnlich geschah dies 2024, als das Bürgergeld auf 563 Euro erhöht wurde.
Komplexe Berechnung und anhaltende Kritik
Die Berechnung des Bürgergeldes ist durchdacht, jedoch stehen die Ergebnisse in der Kritik. Sozialverbände halten die aktuelle Höhe für unzureichend. Beispielsweise fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband mindestens 813 Euro im Monat, um den gestiegenen Lebensmittelpreisen Rechnung zu tragen.
Sozialwissenschaftler weisen darauf hin, dass die Stichprobe möglicherweise nicht die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegelt, da viele Menschen aus Scham oder Unkenntnis keine Sozialleistungen beantragen. Diese “verdeckte Armut” senkt die durchschnittlichen Ausgaben und damit die Basis der Berechnung. Zudem würden Bürgergeld-Haushalte oft nicht die vollständigen Mietkosten ersetzt bekommen, weil diese als unangemessen eingestuft werden.
Politische Forderungen nach Kürzungen des Bürgergeldes beziehen sich teilweise auf die ergänzende Fortschreibung und argumentieren, dass die Inflation überschätzt wurde. Andere sehen dies anders: Die jährliche Neuberechnung durch die Basisfortschreibung führe zu einem Ausgleich dieser Dimension. Kürzungen sind im aktuellen Gesetz nicht vorgesehen.