Analyse
Die Bundestagswahl hat nicht nur nationale Auswirkungen, sondern zieht auch internationale Blicke auf sich. Die Erwartungen an die Regierung Scholz sind hoch – jedoch muss sie sich unverzüglich außenpolitischen Herausforderungen stellen.
Während Deutschland eine neue Regierung bildet, bleibt die geopolitische Situation angespannt. Die Beziehung zwischen Europa und den USA steht im Fokus. Insbesondere seitdem die amerikanische Politik signalisiert, dass Europa während der Ukraine-Verhandlungen neu denken muss, suchen europäische Staaten Wege, ihre Position zu stärken.
Intensive diplomatische Gespräche in Europa haben begonnen. Nachdem Frankreichs Präsident Macron Gespräche mit dem US-Präsidenten führte, wird am Donnerstag auch der britische Premierminister die Gespräche aufnehmen. Ein offizieller Besuch aus Deutschland steht jedoch nicht auf der Agenda, solange der Regierungsübergang nicht vollzogen ist.
Der noch amtierende Kanzler Scholz muss nun auf die Informationen seiner EU-Partner angewiesen sein, genau wie alle anderen EU-Länder. Nach seinem Meeting hat Macron die EU-Staatsoberhäupter über den Verlauf der Gespräche informiert; britische Gespräche werden wohl ähnliches tun.
Deutschland am Spielfeldrand
Deutschland, von vielen als zukünftiger Führer Europas betrachtet, scheint derzeit eher die passive Rolle eines Zuschauers einzunehmen. Die Führungsambitionen des voraussichtlichen Kanzlers Friedrich Merz stehen bisher auf der Kippe. In seiner letzten außenpolitischen Rede betonte er, dass Deutschland mehr Verantwortung für den europäischen Zusammenhalt übernehmen muss, doch konkrete Schritte fehlen bislang.
Merz plant, die verbleibende Amtszeit Macrons für eine Zusammenarbeit zur Vision eines souveränen Europas zu nutzen.
Ein erster Austausch fand am Mittwoch in Form eines Abendessens zwischen Macron und Merz statt. In dem Gespräch, das drei Stunden dauerte, wurden neue Möglichkeiten für die deutsch-französischen Beziehungen erörtert; dennoch bleibt Scholz der offizielle Ansprechpartner.
Sondergipfel ohne Merz
Am 6. März wird Kanzler Olaf Scholz ohne Merz am geplanten EU-Sondergipfel zur Ukraine teilnehmen. Dies wurde am Mittwoch von einem Regierungssprecher bestätigt.
Scholz betonte, dass sein fortdauernder Amtsstatus bis zur Wahl seines Nachfolgers gilt und dass eine Teilnahme mehrerer Regierungsspitzen bei dem Gipfel ineffizient wäre.
Kanzler auf Abruf
Scholz steht auf Abruf, was den anderen EU-Staatschefs bewusst ist. Dies reduziert das Gewicht seiner Stimme in entscheidenden Gesprächen, was riskant scheint, in einer Zeit, in der rasches Handeln erforderlich ist.
Dringliche Probleme stehen an: Die Ukraine benötigt mehr Unterstützung, während die Bundeswehr nicht für den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen gerüstet ist. Zudem muss auf die Forderungen Trumps geantwortet werden, die Europäer zu mehr Engagement in der Ukraine zu bewegen. Dabei bleibt die mögliche Reform der Schuldenbremse zur Finanzierung von Verteidigungsmaßnahmen ein entscheidendes Thema.
Merz steht vor der Aufgabe, die erforderlichen Reformen noch vor den neuen Bundestagswahlen durchzusetzen. Aktuell scheut er sich, Grundgesetzänderungen anzustreben und strebt stattdessen ein neues Sondervermögen von 200 Milliarden Euro an.
Die Zeit drängt
Die Noch-Außenministerin hat eindringlich dazu aufgerufen, die Schuldenbremse umgehend mit dem alten Bundestag zu reformieren. “Es ist entscheidend, dass wir nicht zu spät kommen mit wichtigen Entscheidungen, die die Ukraine betreffen”, erklärte sie.
Der Druck ist gewachsen, insbesondere seit der Münchner Sicherheitskonferenz. Die USA haben signalisiert, ihre sicherheitspolitischen Verpflichtungen zu überdenken. “Ein klarer Plan bis zum NATO-Gipfel ist unabdingbar”, so ein Sicherheitsanalytiker. “Jetzt müssen wir beginnen, denn wenn wir warten, könnte es zu spät sein.”
Deutschland befindet sich jedoch in einer politischen Blockade, während die Parteien darüber debattieren, wer bei den bevorstehenden Sondierungsgesprächen das Sagen hat. Es scheint, als sei der idealisierte Übergang von “einer schlafenden zu einer führenden Mittelmacht” in der aktuellen Situation schwer zu realisieren.
Die finnische Außenministerin warnt eindringlich: “Die Welt wartet nicht. Wir hoffen, dass Deutschland so schnell wie möglich am Tisch ist.”