Hintergrund
Ist das deutsche Rentensystem vor dem Kollaps? Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung? Warum bleibt die Rentenpolitik hinter den Erwartungen zurück? Hier erfahren Sie alles Wichtige zur Rentenreform.
“Eine Sozialreform”, erklärt ein Abgeordneter, “kann nicht mit zugeknöpften Taschen umgesetzt werden.” In der Generaldebatte zur Rentenversicherung kommt der Unmut deutlich zum Ausdruck. Ein Abgeordneter betont, es dürfe nicht sein, dass Rentner auf Sozialhilfe angewiesen sind, und fordert: “Öffnet die Taschen!”
Am 17. Mai 1889 wurde der Gesetzentwurf zur deutschen Rentenversicherung beschlossen. Der Beitragssatz lag damals bei zwei Prozent und das Renteneintrittsalter bei 70 Jahren. 135 Jahre später sind die Beitragssätze gestiegen und das Eintrittsalter gesenkt – der politische Streit um das Rentensystem bleibt jedoch bestehen.
Kapitel 1: Ist das Rentensystem in der Krise?
“Es gibt positive Aspekte”, erklärt ein Wirtschaftsexperte. Das System sei im internationalen Vergleich erfolgreich, auch wenn aktuelle Herausforderungen bestehen. “Das System steht nicht unmittelbar vor dem Zusammenbruch, aber Reformen sind dringend nötig, um Stabilität zu sichern.”
Das Umlagesystem steht unter Druck: Aktuell zahlen alle Arbeitnehmer in einen zentralen Topf ein, aus dem Renten direkt an aktive Rentner fließen. Diese Struktur ist problematisch, da die Anzahl der Rentner steigt, während die Lebensdauer zunimmt.
Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft berichtete, dass im Jahr 2020 100 Beitragszahler 57 Rentner versorgten; bis 2050 könnte dieses Verhältnis auf 77 Rentner pro 100 Beitragszahler steigen.
Ein Anstieg der Rentnerzahl bedeutet automatisch niedrigere Renten, es sei denn, Beitragsätze erhöhen sich oder der Staat fördert zusätzlich. Historisch stieg der Beitragssatz von 14 Prozent im Jahr 1960 auf 18,6 Prozent heute, mit Prognosen von bis zu 22,3 Prozent bis 2035.
Um die Beitragssteigerung abzufedern, plant der Staat bis 2025 etwa 121 Milliarden Euro an die Rentenkasse zu zahlen – rund ein Viertel des gesamten Bundeshaushalts. Ohne diese Zuschüsse könnte das Rentenniveau dramatisch sinken.
Kapitel 2: Geplante Veränderungen im Rentensystem
Mit dem Rentenpaket II sollen Reformen eingeführt werden, um das Rentenniveau bis 2039 über 48 Prozent zu halten. Kritiker argumentieren, dass dies nicht generationengerecht ist und die arbeitende Bevölkerung überstrapaziert.
Die Einführung eines sogenannten Generationenkapitals, bei dem der Staat jährlich 12 Milliarden Euro in Aktien anlegt, könnte zur Stabilität des Rentensystems beitragen und die Beitragslast verringern.
Finanzminister Lindner sieht hierin eine Erfolgschance für eine aktienbasierte Altersvorsorge und plant die Einführung eines Altersvorsorgedepots, um die private Altersvorsorge zu revolutionieren.
Die SPD und die Grünen möchten die Betriebsrenten stärken und eine breitere Bevölkerungsschicht in die Altersvorsorge integrieren, um die Verantwortung zu teilen und für zukünftige Generationen zu sichern.
Kapitel 3: Die Positionen der Parteien zur Rentenreform
Die politischen Parteien im Bundestag haben unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft der Rente. Die SPD setzt auf ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent und strebt eine Erhöhung der Erwerbsquote an, um das System langfristig zu stabilisieren.
Die Grünen fordern eine Bürgerversicherung und stärkere Beteiligung von Selbstständigen an der Rentenversicherung, während die FDP für eine individuelle Aktienrente plädiert, um den demografischen Herausforderungen zu begegnen.
CDU und AfD unterstützen die Idee einer flexiblen Altersgrenze, wobei die Union an den Vorschlag koppeln möchte, die Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu binden, während die Linke eine Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 Prozent fordert.
Das BSW schlägt ein Renteneintrittsalter von 65 Jahren samt umfassenden Beiträgen der gesamten Bevölkerung vor, um die Rentenkassen langfristig abzusichern, und kritisiert die derzeitigen Strukturen als unzureichend.