Das Attentat von Solingen hat eine weitreichende Diskussion über Migration in Deutschland ausgelöst. Bund, Union und Länder erörtern mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage. Doch wo lagen die Versäumnisse bezüglich des mutmaßlichen Täters? Werden die derzeit diskutierten Strategien tatsächlich zu einer Veränderung führen?
Am 5. Juni 2023, um 2:30 Uhr, steht die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) vor der Flüchtlingsunterkunft in Paderborn, um den mutmaßlichen Attentäter Issa al H. abzuholen und ihn auf einen Flug nach Sofia, Bulgarien, zu bringen. Der Abflug war für 7:20 Uhr vorgesehen. Doch die ZAB trifft ihn nicht an, und der Abschiebeversuch bleibt ein einmaliger Vorfall.
Experten verweisen darauf, dass solche Einzelfälle in der Praxis häufig vorkommen. “Es gibt viele Situationen, in denen es nie zu einem Abschiebeversuch kommt, stattdessen wird irgendwann ein Bescheid zugestellt”, erklärt ein Migrationsrechtler. Oft geschieht lange Zeit nichts, bis ein reguläres zweites Asylverfahren in Deutschland eingeleitet wird. Die nordrhein-westfälischen Behörden haben immerhin ein Mal einen Versuch unternommen.
Einige neue Regelungen umgesetzt
Die Bundesregierung hat die strukturellen Probleme erkannt und verschiedene Regelungen überarbeitet. Dazu gehört die Ausweitung der Rechte zur Durchsuchung von Flüchtlingsunterkünften. “Das ist eine der vielen verschärften Maßnahmen, die in den letzten Monaten beschlossen wurden”, betont ein Experte für Ausländer- und Asylrecht. “Jetzt dürfen auch Nachbarzimmer nach geflohenen Personen durchsucht werden.”
Eine weitere Neuerung betrifft die Verlängerung der Dauer der Abschiebehaft, die nun von sechs auf bis zu 18 Monate ausgeweitet wurde. Diese Regelung ermöglicht es, Flüchtlinge im sogenannten Ausreisegewahrsam festzuhalten, um eine spätere Abschiebung zu erleichtern.
Kaum Kommunikation
Trotz neuer Regelungen zeigt das System erhebliche Schwächen. Obwohl Echtzeit-Listen über die Bewohner von Asylunterkünften vorhanden sein sollen, haben die zuständigen Ausländerbehörden keinen Zugriff darauf.
“Hier muss sich dringend etwas verbessern. Wir müssen die Einrichtungen verpflichten, zu melden, wenn jemand anwesend ist oder wo er ist, wenn er die Unterkunft verlässt”, fordert ein Politiker der CDU.
Besonders problematisch ist die Kommunikation in diesem Zusammenhang. Aktuell gibt es kaum gesetzliche Regelungen, die die Flüchtlingsunterkünfte verpflichten, der Zentralen Ausländerbehörde zur informieren, wo sich die gesuchte Person während eines Abschiebeversuchs befindet.
Ein exemplarischer Fall
“In den Flüchtlingsunterkünften selbst gibt es verschiedene Organisationsformen”, erklärt ein Rechtsexperte. “Oft gibt es einen Hausmeister, der die Anwesenheit der Bewohner registriert, aber dieser ist meist nicht Teil der Behörde.”
Zudem ist die Zentrale Ausländerbehörde nicht verpflichtet, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über gescheiterte Abschiebeversuche Bericht zu erstatten. Aufgrund dieser fehlenden Kommunikationsrichtlinien kommt es häufig vor, dass Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollten, weiterhin in Deutschland bleiben.