Im vergangenen Jahr wurde intensiv darüber diskutiert, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Die Bundesregierung prüft diese Idee seitdem, der lang erwartete Bericht bleibt jedoch aus. Was sind die Hintergründe?
Der Auftrag der Ministerpräsidenten war klar definiert: Nach einem ersten Sachstandsbericht im Juni letzten Jahres sollte die Bundesregierung bis Mitte Dezember “konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transitstaaten” entwickeln und diese bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz vorstellen.
Doch nach dem Scheitern der Ampelkoalition fand das Treffen nicht wie geplant statt. Berichten zufolge wurde das Thema der Drittstaatenregelung von den Ländern nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt.
Bericht weiterhin ausstehend
Trotz dieser Umstände war allen Beteiligten bewusst, dass die Bundesregierung weiterhin verpflichtet ist, ihren Bericht vorzulegen. Das CDU-geführte Sachsen, als Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonferenz, betonte, dass man “selbstverständlich” erwarte, dass der Bericht noch in diesem Jahr übermittelt wird.
Auch das Kanzleramt erklärte im Dezember auf Anfrage, dass der Bericht in der Endredaktion sei und bald durch das Bundesministerium des Inneren veröffentlicht werde.
Seitdem sind mehr als zwei Monate vergangen, und der Bericht bleibt weiterhin unveröffentlicht. Ein Sprecher des Innenministeriums äußerte sich nicht zu den Gründen für die Verzögerung, erklärte lediglich, dass sich der Bericht “weiter in der Endredaktion” befinde.
Das Bundeskanzleramt hat mehrere Anfragen zur Veröffentlichung unbeantwortet gelassen und verweist auf das Innenministerium.
Drittstaaten-Modelle kaum im öffentlichen Fokus
In den letzten Wochen verstärkt sich der Eindruck, dass die Bundesregierung die Veröffentlichung des Berichts bewusst auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschiebt, Fragen dazu bleiben jedoch unbeantwortet.
Im aktuellen politischen Diskurs spielt das Thema Drittstaatenmodelle kaum eine Rolle, im Gegensatz zum letzten Jahr. Dies ist bemerkenswert, zumal CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm festlegen, dass jedes Asylgesuch in Europa in einen sicheren Drittstaat überführt werden soll.
Unklarheit über mögliche Drittstaaten
Bislang ist unklar, welche Länder für ein Drittstaatenmodell in Frage kommen könnten. Italien hat wiederholt versucht, Asylverfahren nach Albanien auszulagern, jedoch ohne Erfolg.
Ruanda wurde oft als potentieller Partner genannt. Trotz der Entscheidung Großbritanniens, sein Asyl-Abkommen mit Ruanda zu beenden, wird es weiterhin von deutschen Politikern als möglicher Standort betrachtet.
Skepsis unter Experten
Aktuell sorgt die Regierung Ruandas, insbesondere wegen ihrer Unterstützung der Rebellengruppe M23 im Kongo, für negative Schlagzeilen. Das Bundesentwicklungsministerium hat daher Konsultationen mit Ruanda abgesagt und erklärt, dass es “kein Business as usual” geben kann. Unter diesen Umständen erscheinen Gespräche über die Auslagerung deutscher Asylverfahren nach Ruanda wenig wahrscheinlich.
Es bleibt unklar, welche neuen Erkenntnisse der Prüfbericht, sollte er veröffentlich werden, enthalten wird. Experten gehen davon aus, dass die Inhalte des Berichts ähnliche Erkenntnisse wie der Sachstandsbericht vom Juni 2024 beinhalten werden – die Auslagerung von Asylverfahren sei nicht ausgeschlossen, jedoch seien die rechtlichen und praktischen Herausforderungen erheblich.
Zurückhaltung der Union
Der Sachstandsbericht vom Juni wurde beim Treffen der Regierungschefinnen und -chefs thematisiert. Viele Beteiligte wollten jedoch keinen Abschluss finden, weshalb ein weiterer Bericht angefordert wurde. Beim nächsten Treffen im Oktober erinnerten die Länder an die festgelegte Frist bis Mitte Dezember.
Anscheinend haben die Länder jedoch nicht mehr das dringende Bedürfnis zur Eile. Die sächsische Staatskanzlei, die im Dezember noch auf eine schnelle Veröffentlichung drängte, erklärte im Februar, dass ihnen zu dem Thema keine neuen Informationen vorliegen. Die nächste reguläre Konferenz mit dem Kanzler ist für den 5. Juni geplant.
Eine mögliche Erklärung für diese Zurückhaltung könnte die politisch unsichere Lage sein, da die CDU möglicherweise die nächste Regierung anführen wird. Aufgrund der praktischen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit potenziellen Partnerländern wollen sie sich möglicherweise nicht unnötig unter Druck setzen.