“Unrealistisch und inkompetent”
Ökonomen kritisieren AfD-Wirtschaftsprogramm
10.02.2025, 08:57 Uhr
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Die Wirtschaft steht neben Migration im Fokus des aktuellen Wahlkampfs. Die AfD hat kürzlich ihr wirtschaftspolitisches Programm vorgestellt, das bei Experten auf scharfe Kritik stößt und als potenzielles Risiko für Wohlstand und Millionen Arbeitsplätze angesehen wird.
Führende Ökonomen äußern massive Bedenken gegenüber dem Wahlprogramm der AfD und ihrer Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), äußert: “Die Wirtschaftspolitik der AfD könnte das deutsche Wirtschaftsmodell erheblich gefährden, ohne eine klare Alternative zu präsentieren. Wohlstand und Millionen Arbeitsplätze sind bedroht.”
In ihrem Programm kündigt die AfD an, die Einkommens-, Unternehmens-, Umsatz- und Energiesteuern zu senken und plant die Streichung der Grund-, Erbschafts- und Grunderwerbsteuer für Immobilieneigentümer.
Zusätzlich beabsichtigt die AfD, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und das Rentenniveau langfristig auf 70 Prozent des letzten Nettolohns anzuheben. Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter des Ifo Instituts in Dresden, bezeichnet dieses Vorhaben als “verlockendes Versprechen”, merkt jedoch an, dass es finanziell nicht tragbar sei.
IW-Chef kritisiert Weidels Ansichten
Die AfD plant außerdem, die Energiewende rückgängig zu machen und Windkraftanlagen abzubauen. Weidel argumentiert, dass erneuerbare Energien ohne Subventionen nicht wettbewerbsfähig seien. Fratzscher kontert: “Diese Aussagen sind entweder völlige Unkenntnis oder bewusste Fehlinformation. Atomkraft und fossile Brennstoffe kosten bereits deutlich mehr als erneuerbare Energien, wie alle Studien bestätigen.”
Michael Hüther, Direktor des IW Köln, sieht Weidels Thesen ebenfalls als irreführend an und betont, dass eine Rückkehr zur Atomkraft mindestens 30 Jahre in Anspruch nehmen würde. Zudem müssten die ungelösten Fragen der radioaktiven Abfallentsorgung und die damit verbundenen Risiken berücksichtigt werden, was Atomstrom überteuert machen würde.
Dexit nicht mehr im Wahlprogramm – zumindest offiziell
Ökonomen sind insbesondere besorgt über die Pläne der AfD zur Europäischen Union. Obwohl der Ausdruck “Dexit” aus dem aktuellen Wahlprogramm gestrichen wurde, deuten die Forderungen der Partei auf eine erhebliche Reduzierung der Kompetenzen der EU und eine Beendigung der Rolle Deutschlands als “Zahlmeister” hin, was in der Praxis nur mit einem Austritt aus der EU umsetzbar wäre.
Johannes Kirchhoff, geschäftsführender Gesellschafter eines international tätigen Autozulieferers, warnt: “Ein Austritt aus der EU oder dem Euro könnte als wirtschaftlicher Selbstmord gewertet werden.” Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der chemischen Industrie, stimmt zu und bezeichnet den Austritt als ein “wirtschaftspolitisches Kamikazeszenario”. Die chemische und pharmazeutische Industrie sieht in Europa ihren wichtigsten Markt.