Analyse
In Brandenburg wird ein wachsenden Umbruch in der politischen Landschaft sichtbar, angetrieben von der AfD. Die etablierten Parteien sind nun gefordert, darauf zu reagieren.
„Es wird den ersten AfD-Verfassungsrichter geben.“ Ein hoher Funktionär der AfD feierte euphorisch am Wahlabend. Mit mehr als einem Drittel der Sitze im Potsdamer Landtag hat die extrem rechte Partei nun die Möglichkeit, entscheidende Abstimmungen, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern, zu beeinflussen, einschließlich verfassungsrechtlicher Fragen.
Die AfD hat diese Machtposition bereits bei der Landtagswahl in Thüringen erlangt. Auch in Sachsen steht die Partei kurz davor, die sogenannte Sperrminorität zu erreichen. Zwar ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit selten erforderlich, doch könnte eine Blockade von Landtag und Gerichten die anderen Fraktionen zwingen, die AfD in Verhandlungen einzubeziehen, was die Partei tröstet, während sie in der Realität weit von der Regierungsbildung entfernt bleibt.
Diese Entwicklung ist Teil von drei grundlegenden Veränderungen, die den etablierten Parteien zu schaffen machen. Zudem hat das Bündnis um Sahra Wagenknecht eine weitere populistische Kraft in die Landtage gebracht, auf die CDU und SPD angewiesen sind, um Mehrheiten gegen die AfD zu bilden. Drittens haben Grüne und Linke ihre Relevanz erheblich verloren, während die FDP kaum eine Rolle spielt.
Enorme Wahlbeteiligung, enorme Umwälzungen
Das Wahlresultat ist eindeutig: Diese Landtagswahlen verzeichneten im Vergleich zu anderen Bundesländern die höchste, zweithöchste und vierthöchste Wahlbeteiligung. Der Osten Deutschlands wurde lange als ‘demokratieschwach’ wahrgenommen und galt als desinteressiert.
Zahlreiche Wähler strömten zur AfD, zur Wagenknecht-Partei oder unterstützten die CDU und SPD, je nachdem, welche der beiden traditionellen Parteien am stärksten mit der AfD rivalisierte. Politisches Interesse wurde neu geweckt, doch die Art und Weise hat sich grundlegend verändert.
Früher bestand das Engagement eines Landtagsabgeordneten aus Plenarsitzungen, wenigen Pressemitteilungen und unzähligen Vereinsaktivitäten. Dieses Modell hat ausgedient.
Zeitungen und öffentlich-rechtliche Medien kämpfen um ihre Reichweite, während die AfD soziale Medien stark nutzt und dominiert. Für die anderen Parteien wird es zunehmend herausfordernd, in diesem Bereich erfolgreich zu sein, ohne sich direkt mit der AfD auseinanderzusetzen.
Gespräche fielen schwer
Die Partei startete post-Corona frühzeitig mit Bürgerdialogen und „Familienfesten“. Neben der traditionellen Angst von Migranten und einem zu starken Staat wurden nun auch festliche Elemente wie Grillstände und Hüpfburgen in die Wahlkampagne integriert.
Während andere Parteien hauptsächlich vor der AfD warnten, versuchten sie gleichzeitig, positive Botschaften über ihre eigenen Bundesländer zu verbreiten. War jedoch häufig eher der Fokus darauf, die AfD zu stoppen, anstatt eigene Stärken darzustellen.
Wahlkämpfer mussten feststellen, dass viele Bürger den Dialog verweigerten. Diese offene Ablehnung zeigt sich auch darin, dass die AfD in allen drei Bundesländern mehrheitlich aus Überzeugung gewählt wurde und nicht nur als Protest gegen die etablierten Parteien.
AfD hat sich festgesetzt
Die AfD hat ihre Präsenz in den drei Bundesländern verstärkt, insbesondere unter finanziell schlechter Gestellten und Arbeitern, während sich auch ein Drittel der Selbständigen für die Partei entschieden hat. In ländlichen Regionen zeigt die AfD deutlich mehr Erfolge als in Großstädten.
Diese Entwicklungen sind nicht neu und zeigen sich in Wahlen in Ostdeutschland sowie im gesamten Bundesgebiet. Die realen Probleme der arbeitenden Bevölkerung wurden kaum angesprochen, da sich die Politik mit Krisenmanagement wie der Corona-Pandemie und der Inflation beschäftigte.
Soziale Sicherheit, Migration und Kriminalität zählen inzwischen zu den wichtigsten Themen. Die AfD hat erfolgreich die Bedenken der Wähler in Bezug auf finanzielle Sicherheit adressiert und ihre Kompetenz in Bezug auf diese Themen ausgebaut.
Erfreulich für die AfD ist zudem der Zuspruch bei Wählern unter 25 Jahren. Diese Altersgruppe unterstützt die Partei ebenso stark wie die mittleren Altersgruppen, egal wie umstritten deren Ansichten sind.
Mehr Protest, mehr Wegzug
Das Wahlergebnis der AfD zeigt das ungenutzte Protestpotenzial in ländlichen Gebieten. Dies könnte die künftigen Entscheidungen der Kommunen und Landesregierungen bei der Ansiedlung neuer Industrien und der Schaffung von Unterkünften für Asylbewerber beeinflussen.
Zudem lassen sich viele Menschen in ihren Lebensentscheidungen nicht von den aktuellen Wahlergebnissen leiten, sondern orientieren sich vielmehr nach den lokalen Gegebenheiten, die die Stärke der AfD widerspiegeln und verstärken.
Bereits 2023 zogen erstmals wieder mehr Menschen aus Ostdeutschland nach Westdeutschland als umgekehrt. Vor allem junge Menschen und Migranten wandern ab. Dies könnte sich künftig verstärken und auch andere dringend benötigte Fachkräfte abschrecken.
Antworten sind noch rar
CDU und SPD stehen vor der Herausforderung, einen neuen Umgang mit der AfD in den Landtagen zu finden und dabei potenzielle Brandmauern aufzulockern. Ob sie tatsächlich AfD-Kandidaten in die Landesverfassungsgerichte wählen können, bleibt unklar.
Zugleich müssen sie sich um die BSW bemühen. Diese Partei befindet sich noch im Prozess der Selbstfindung und ist für eine klare politische Linie bekannt, die sich gegen die bisherige Politik richtet.
Darüber hinaus ist es dringend notwendig, zu ermitteln, wie die Wähler der AfD gezielt angesprochen werden können. Geplant sind mehr Bürgergespräche und Diskussionsveranstaltungen sowie eine Aufstockung des Budgets für Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Medien. Bisher haben die Parteien jedoch keine konkreten Schritte unternommen.