Die CSU betrachtet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Sieg, jedoch könnte die Entscheidung auch für bayerische Abgeordnete unerwartete Folgen haben.
Volker Ullrich ist aktiv in seinem Wahlkreis und legt großen Wert auf den Kontakt zu den Bürgern: “Ich war im Juli fast jeden zweiten Tag in Augsburg unterwegs: Bei Bürgersprechstunden, Veranstaltungen oder Unternehmensbesuchen”, erklärt der CSU-Abgeordnete.
Doch der Wahlkreis “Augsburg Stadt” könnte bald ohne einen direkt gewählten Abgeordneten dastehen. Hätte man das neue Wahlrecht der Ampelparteien bei der letzten Wahl 2021 angewendet, hätte Ullrich zwar die meisten Stimmen erhalten, aber kein Mandat im Bundestag gewonnen.
Bundestag soll kleiner werden
Die Hintergrundinformation ist die Wahlrechtsreform der Ampelparteien, die eine Reduzierung des Bundestags von 736 auf 630 Abgeordnete anstreben. Das Bundesverfassungsgericht hat nun den Kern ihrer Reform bestätigt.
Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen: Bei der nächsten Bundestagswahl wird die Garantie, dass der Sieger eines Wahlkreises ein Mandat erhält, nicht mehr automatisch gegeben.
Dies ist auf die sogenannte Zweitstimmendeckung zurückzuführen. Zukünftig kann ein Politiker nur ins Parlament einziehen, wenn seine Partei genügend Zweitstimmen erhält.
“Täuschung des Wählers”
Ullrich äußert Bedenken: “Die potenzielle Streichung von Direktmandaten führt zu einem Wahlrecht, das auf Täuschung und Enttäuschung der Wähler ausgelegt ist.”
Diese Reform bricht mit einer langjährigen Praxis, denn viele direkt gewählte Abgeordnete haben sich intensiv um ihre Wahlkreise gekümmert.
Das Bundesverfassungsgericht stellt klar, dass Wahlkreisabgeordnete nicht als Delegierte ihrer Wahlkreise betrachtet werden können, sondern Vertreter des gesamten Volkes sind.
Nach der nächsten Bundestagswahl könnten mehrere Wahlkreise ohne direkt gewählte Abgeordnete dastehen. Das Gericht hebt hervor, dass die Wahlkreisarbeit von Listenabgeordneten sich nicht von der Arbeit der Wahlkreisabgeordneten unterscheidet.
Ampelparteien zufrieden
Die Ampelfraktionen haben ihr Hauptziel erzielt: Nach der nächsten Bundestagswahl wird der Bundestag auf 630 Abgeordnete reduziert. Dies ist ein Erfolg, den die vorherige Regierung aufgrund der Weigerung der CSU nicht umsetzen konnte.
Politische Vertreter der Ampelparteien bezeichnen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als klug und als Bestätigung des Kernanliegens der Wahlrechtsreform.
Nachbesserungen erforderlich
Die Ampelparteien müssen nun Anpassungen vornehmen. Die Streichung der Grundmandatsklausel wird vom Bundesverfassungsgericht nicht unterstützt. Eine Partei kann auch weiterhin ins Parlament einziehen, wenn sie mindestens drei Direktmandate erringt, auch wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreicht.
Eine solche Streichung hätte insbesondere für die Linke und die CSU bedeutende Folgen haben können, da beide Parteien davor gestanden hätten, landesweit die erforderlichen Stimmen zu erreichen.
Volker Ullrich bleibt dennoch skeptisch und will weiterhin aktiv für die Belange der Bürger in Augsburg eintreten, auch wenn das Gericht entschieden hat, dass er dies nicht in der bisher gewohnten Form tun muss.