Deutschland plant ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Infrastruktur und erhebt die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Dieser finanzpolitische Kurswechsel der Union wirft Fragen auf: Wie kam es dazu und was bedeutet es?
Nachdem das Sondierungsteam von SPD und Union angekündigt hatte, Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur aufzunehmen, reagierte der amtierende Finanzminister mit der Bekanntgabe, dass Schulden für Verteidigung über einem Prozent des Bruttoinlandprodukts von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Geld über 44 Milliarden Euro sei demnach nicht eingeschränkt.
Diese einfache Berechnung sendet ein starkes Signal an die europäischen Partner und die USA: Deutschland ist bereit, höhere Ausgaben für Verteidigung zu ermöglichen.
Während der Sondierungstage offenbarte Finanzminister Kukies die finanziellen Herausforderungen des Bundeshaushalts, in dem bis 2028 bis zu 130 Milliarden Euro fehlen könnten.
Merz hatte einen Kassensturz nach der Bundestagswahl versprochen, doch die nun präsentierten Zahlen übertreffen wohl seine Erwartungen. Zudem steht die Möglichkeit im Raum, dass Deutschland bald höhere Verteidigungsausgaben leisten muss, was das Sondervermögen Bundeswehr stark beanspruchen könnte.
SPD und Union sehen sich gleich mehreren Herausforderungen gegenüber: der finanziellen und der außenpolitischen Situation. Um den globalen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Union ihre Linie im Hinblick auf Schulden überdenken.
Finanzpolitische Neuausrichtung
Merz betonte die Notwendigkeit für Europa, “erwachsen zu werden” und finanzielle Mittel für die Verteidigung bereitzustellen, um sich von der Abhängigkeit der USA zu befreien. Während die SPD weniger Bedenken gegenüber diesen Vorschlägen hatte, muss die Union intern ihre Kehrtwende in der Finanzpolitik begründen und sich mit wachsender Kritik auseinandersetzen.
Auch auf Wählerseite könnte es Erklärungsbedarf geben, da die Union im Wahlkampf an ihrer Schuldenbremse festhalten wollte. Kritiker, wie die Grünen, stellen die Glaubwürdigkeit von Merz infrage.
Auswirkungen der geplanten Maßnahmen
Mit dieser Reform der Schuldenbremse könnten die künftigen Regierungen in Krisenzeiten erheblich mehr Finanzierungsspielraum gewinnen. Der amtierende Verteidigungsminister bezeichnete den Beschluss als “historisch”, was auch die Planungssicherheit für die Bundeswehr und die Rüstungsindustrie erhöhen könnte.
Der Vorschlag muss nun vom Bundestag, vorzugsweise vor der nächsten Woche, verabschiedet werden – eine Zweidrittelmehrheit ist notwendig, die möglicherweise durch Stimmen von anderen Parteien erreicht werden kann.
Dennoch könnten die Parteien nach dem Vorschlag, mehr Geld für Verteidigung bereitstellen zu wollen, in interne Debatten eintreten, da nicht alle über die finanziellen Details informiert waren.
Der zusätzliche Vorschlag für das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen könnte ebenfalls für Überraschungen sorgen. Die Absicht ist, dass die Länder von diesem Betrag profitieren, was strategisch sinnvoll ist, um ihre Stimmen im Bundesrat zu sichern.
Auch eine Reform der Schuldenbremse ist angedacht, sodass die Länder in Zukunft Kredite auch außerhalb von Notlagen aufnehmen können, was ihnen mehr finanzielle Flexibilität gibt.
Langfristige Finanzierungsfragen
Die Union und die SPD beabsichtigen, dass die Länder Kredite ähnlich wie der Bund in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen können, was rund 15 Milliarden Euro entspricht. Diese Entscheidung könnte teuer werden, um die Stimmen der Länder im Bundesrat zu gewinnen.
Das Sondervermögen Infrastruktur könnte in Zukunft eine erhebliche Belastung für die Haushalte der kommenden Regierungen darstellen, da die Schulden abgebaut werden müssen. Ab 2031 stehen zudem Rückzahlungen für Corona-Hilfen und andere finanzielle Zuschüsse an.
Es bleibt fraglich, ob man diese Rückzahlungen hinauszögern sollte, um kommende Generationen nicht zusätzlich zu belasten. In den nächsten Tagen werden Union und SPD um Zustimmung für ihre Pläne in den Fraktionen werben müssen, harte Verhandlungen sind zu erwarten.