Bis heute sollten gesetzliche Krankenkassen ihren Mitgliedern in ihren Apps eine Möglichkeit zur Organspende-Onlineregistrierung anbieten. Doch nur wenige haben dieser Vorgabe entsprochen. Was bedeutet das für die Betroffenen?
Hansulrich Schäfer verbringt seine Vormittage im Dialysezimmer des Westpfalzklinikums in Kaiserslautern. Der 76-Jährige leidet an terminaler Niereninsuffizienz und ist auf Blutwäsche angewiesen, um zu überleben.
Eine Nierenspende könnte seine Lebensqualität erheblich verbessern und ihm mehr Bewegungsfreiheit zurückgeben. Obwohl Schäfer weitere Jahre Dialysebehandlungen erhalten könnte, erhöht die Therapie das Risiko für Begleiterkrankungen wie Infektionen, Stoffwechselstörungen und Herzprobleme.
Aus diesem Grund hat er sich auf die Warteliste für eine Spenderniere gesetzt. Wie lange er warten muss, bleibt ungewiss. “Ob ich weniger Dialyse benötige oder nicht, ist ungewiss. Ich warte einfach ab”, erklärt Schäfer.
Er gibt zu, dass auch er sich nie in die Organspenderliste eingetragen hat. “Es erschien mir weit weg, bis ich selbst erkrankte. Nun frage ich mich, ob ich früher etwas hätte tun sollen…” Er bricht den Satz nachdenklich ab.
Viel zu wenig Transplantationen
Im Westpfalzklinikum wurden im letzten Jahr 27 Nieren transplantiert, was den Vorgaben für ein solches Krankenhaus entspricht. In Deutschland stehen rund 8.500 Patienten auf der Warteliste für eine Organspende – von der Niere über die Lunge bis zur Leber und zum Herz. Tatsächlich haben weniger als 1.000 Patienten ein Organ erhalten.
“Es besteht ein erhebliches Ungleichgewicht”, kritisiert ein Transplantationsbeauftragter des Westpfalzklinikums. “Im vergangenen Jahr gab es lediglich 965 Organspenden in Deutschland. Bei einer Bevölkerung von 83 Millionen ist das extrem wenig, besonders im Vergleich zu anderen EU-Ländern.”
Organspenderegister richtiger Schritt
Je einfacher die Registrierung als Organspender ist, desto höher ist die Bereitschaft in der Bevölkerung, dies zu tun. Mediziner sind sich einig, dass jede Gelegenheit dazu entscheidend ist.
Informationsstände zu Organspenden sind seit Jahren in Fußgängerzonen präsent und bieten kleine Spenderausweise an. Seit März können sich zudem Bürger ins Online-Organspenderegister eintragen, wenn sie über einen digitalen Personalausweis verfügen.
Für die Verantwortlichen ist dies zwar noch kein großer Erfolg, aber ein Schritt in die richtige Richtung. “Es ist eine weitere Möglichkeit für Menschen, sich zu registrieren und ihren Willen zu dokumentieren”, ist man sich einig.
Viele Krankenkassen setzen das Gesetz nicht um
Der Gesetzgeber forderte die gesetzlichen Krankenkassen auf, in ihren Apps eine Funktion zur Organspende-Registrierung einzurichten, mit einem Stichtag am 1. Oktober. Doch viele Kassen haben das bisher ignoriert.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen weist eine Mitverantwortung von sich. Es fehle an Informationen zum Stand der Apps bei den Mitgliedskassen, was der Verband mit der fehlenden Aufsichtsfunktion begründet.
Möglicherweise war auch die Umsetzungszeit zu kurz, da viele Digitalisierungsprojekte gleichzeitig liefen.
Während der Verband einräumt, keine Kenntnisse über die Umsetzung zu haben, betont er gleichzeitig, dass die Umsetzung zeitnah erfolgen sollte, sobald einzelne Krankenkassen dies nicht fristgerecht geschafft haben.
Auch die Verantwortlichen für das Organspenderegister und das Gesundheitsministerium sind über den Stand der Dinge uninformiert. Anfragen zu den Fortschritten blieben unbeantwortet.
Niedrigschwellige Angebote machen
Die Warteliste für Spenderorgane wächst weiter. Für Patienten wie Hansulrich Schäfer wäre jede App, die eine Registrierung vereinfacht, ein Lichtblick. “Ich dachte, mit 76 Jahren würde ich so etwas nicht mehr erleben”, sagt Schäfer.
Trotz seiner eigenen Situation hat der Rentner Verständnis für diejenigen, die sich noch nicht registriert haben. “Ich finde, jeder, der nicht widerspricht, sollte automatisch als Spender gelten. Niemand weiß, ob er einmal selbst auf ein Spenderorgan angewiesen sein wird.”
Eine unkomplizierte Registrierung, die Ärzte ohne Angehörige prüfen können, ist nach wie vor nicht vorhanden. Wer keinen digitalen Personalausweis hat oder die Online-Registrierung als schwierig empfindet, kann weiterhin den kleinen Organspendeausweis nutzen oder seinen Willen schriftlich festhalten. Ein offenes Gespräch mit Angehörigen kann ebenfalls helfen, um im Notfall die Spendenabsicht schnell zu klären.