Analyse
Vor der Landtagswahl in Thüringen bleibt die Frage offen, welche Regierung möglicherweise gebildet werden könnte. Fest steht jedoch, dass eine neue politische Konstellation für Deutschland bevorsteht. Welche Optionen könnten in Betracht gezogen werden?
Am 1. September wählen die Bürger von Thüringen einen neuen Landtag. Aktuell ist unklar, welche Regierung nach der Wahl an die Macht kommen wird. Angesichts der Stärkung der AfD und dem wachsenden Zuspruch für das BSW könnte Thüringen vor einer politischen Neuausrichtung stehen. Ministerpräsident Bodo Ramelow wird voraussichtlich seine Linkspartei zu besseren Ergebnissen führen als es deren Zustand auf Bundesebene vermuten lässt.
In der ablaufenden Legislaturperiode regierte Ramelow mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung, die zeitweise auf eine Tolerierung durch die CDU angewiesen war. Dieser stabilitätsorientierte Pakt endete, was wiederholt zu Beschlüssen durch die Opposition aus CDU, AfD und FDP führte. Gelegentlich stimmten auch Rot-Rot-Grün gemeinsam mit der AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde.
Stabilere Verhältnisse nach der Wahl?
Ob es nach der Wahl zu stabileren Mehrheitsverhältnissen kommt, bleibt abzuwarten. In aktuellen Umfragen liegt die AfD oftmals klar in Führung. CDU und BSW folgen dicht dahinter, beide um die 20 Prozent. Die Linke hat sich zuletzt auf 15 Prozent verbessert, während die SPD mit 7 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt. Grüne und FDP scheinen laut Umfragen chancenlos zu sein.
Eine mögliche, jedoch unsichere Mehrheit könnte durch ein Dreier-Bündnis aus CDU, BSW und SPD entstehen. Eine der beteiligten Parteien könnte jedoch Bedenken äußern, besonders nachdem BSW-Chefin Sahra Wagenknecht ihre Bedingungen, einschließlich diplomatischer Initiativen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs, klar formuliert hat.
Die CDU äußerte Verwunderung über Wagenknechts Bedingungen, zumal sie nicht zur Wahl steht. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die CDU unter diesen Gegebenheiten bereit ist, eine Zusammenarbeit mit BSW und SPD zu verfolgen.
Selbes Dilemma wie 2019?
Diese Option könnte scheitern, insbesondere wenn die Linke und die AfD bis zur Wahl weiter an Unterstützung gewinnen. Thüringen könnte vor demselben Dilemma wie nach der Wahl 2019 stehen, als Mehrheiten nur durch die Kooperation der CDU mit der Linken oder der AfD möglich waren. Beide Optionen sind jedoch nach den Beschlüssen der Bundes-CDU für die Thüringer Union tabu.
Der Spitzenkandidat der CDU, Mario Voigt, hat bisher erklärt, sich an die Parteilinie halten zu wollen. Ob er die Unterstützung der Bundespartei erhält, um eine Tolerierung durch die Linke zu ermöglichen, bleibt unklar. Ramelow hat jedoch angedeutet, dass er bereit wäre, den CDU-Kandidaten zu unterstützen, insbesondere um zu verhindern, dass Björn Höcke ins Ministerpräsidentenamt gewählt wird.
AfD wohl stärkste Kraft
Trotz mehrerer Verurteilungen wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole wird die AfD voraussichtlich als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen. Dies könnte es der Partei ermöglichen, im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit einen Ministerpräsidenten zu wählen, sofern keine Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten erfolgt. Obwohl dieses Szenario als unwahrscheinlich gilt, kann es nicht ausgeschlossen werden.
Selbst ohne die Amtsübernahme könnte die AfD in eine dominante Position gelangen. Sollte die Partei ein Drittel der Mandate gewinnen, könnte sie viele Entscheidungen blockieren. Dazu gehören die Wahl von Richtern und die Besetzung der parlamentarischen Kontrollkommission zur Überwachung des Verfassungsschutzes, beides erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Jede neue Regierung müsste zur Vermeidung von Blockaden erhebliche Kompromisse mit der AfD eingehen.
Vorbereitung auf eine Verfassungskrise
Die Thüringer Landtagsverwaltung bereitet sich bereits auf eine mögliche Verfassungskrise am Beginn der neuen Legislaturperiode vor, falls die AfD die stärkste Fraktion bildet. Laut der Geschäftsordnung des Landtags hätte die AfD das Recht, den neuen Landtagspräsidenten zu nominieren. Ein Kandidat der AfD dürfte in mehreren Abstimmungen scheitern.
Doch was geschieht danach? Könnten andere Parteien ebenfalls Kandidaten vorschlagen? Wenn dies passiert und ein Bewerber einer anderen Partei gewählt wird, ist mit einer Verfassungsklage der AfD zu rechnen. Bis zu einer Entscheidung würde der Betrieb des neuen Landtags voraussichtlich Wochen stillstehen.
Sollte keine neue Regierung gebildet werden, bleibt Thüringen jedoch nicht regierungslos. Gemäß der Verfassung bleibt die bisherige Ramelow-Regierung im Amt, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt wird.