Analyse
Die AfD und Sahra Wagenknecht streben eine stärkere Zusammenarbeit an, um im kommenden Wahlkampf Druck auf andere Parteien auszuüben. Ein bevorstehendes TV-Duell zwischen Wagenknecht und Alice Weidel skizziert bereits die Dynamik des zu erwartenden Wahlkampfes.
Sahra Wagenknecht äußert, dass die Wähler ihrer Partei und der AfD nach “Veränderung” verlangen, sieht aber die andere Partei als Hindernis, die angeblich im “Neonazi-Sumpf” verankert sei.
Das TV-Duell, das im Rahmen einer Sendung stattfand, bot einen Blick auf die Ansichten von Wagenknecht und Weidel, die beide für einen “politischen Wandel” eintreten und gewisse Gemeinsamkeiten herausstellten. In ihrer einstündigen Debatte skizzierten sie die Verflechtungen und Abgrenzungen zwischen ihren Parteien, was ein spannendes Vorzeichen für den kommenden Bundestagswahlkampf darstellt.
Populistische Flügelzange
Weidel und die teilweise rechtsextreme AfD sowie Wagenknecht und das BSW formieren eine populistische Allianz, die stärker die Union und die Ampel-Parteien ins Visier nimmt. Beide Parteien teilen die Erzählung, dass immer mehr Menschen sich von etablierter Politik abwenden und verstärken gegenseitig ihre Forderungen.
Beide Politikerinnen möchten die Aufmerksamkeit auf den Kampf um das Kanzleramt richten. Alice Weidel beabsichtigt, für das Amt zu kandidieren, unterstützt von Co-Chef Tino Chrupalla und ihrem wachsenden Einfluss innerhalb der AfD. Wagenknecht hat ebenfalls eine Kandidatur nicht ausgeschlossen, was zudem den persönlichen Wettstreit anheizt.
Als Wagenknecht das BSW gründete, strebte sie eine “seriöse Alternative” für verunsicherte Wähler an. Zu Jahresbeginn lag die AfD in Umfragen über 20 Prozent.
Gespräche mit CDU und SPD für Wagenknecht “ein Dilemma”
Das BSW scheint in den letzten Wahlen der AfD einige Stimmen abgenommen zu haben, während die populistische Bewegung insgesamt wächst. Momentan zeigt die AfD jedoch wieder ähnliche Umfragewerte wie im Winter. Die neue Konkurrenz wird etwa sechs bis acht Prozent prognostiziert und diskutiert Koalitionsmöglichkeiten in mehreren Bundesländern. Wagenknecht bezeichnete die Notwendigkeit, mit CDU und SPD zu sprechen, als “Dilemma”.
An vielen Punkten sind sich Wagenknecht und Weidel jedoch einig—beispielsweise über den Eindruck, dass die Ampelregierung in allen Politikbereichen versagt und dass die Migration eingeschränkt werden müsse, während sofort Frieden mit Russland verhandelt werden sollte.
Einige Aspekte wurden während der Diskussion jedoch nicht thematisiert, wie etwa die irreführende Darstellung, dass die Ukraine kurz davor war, NATO-Mitglied zu werden, obwohl eine gegenteilige Zusicherung von Olaf Scholz gegeben wurde.
Beide Politikerinnen scheinen in spezifischen Anliegen engagiert, betonen jedoch gezielt die Unterschiede. Wagenknecht hält eine Reduzierung des Bürgergeldes, wie von der AfD vorgeschlagen, für unsozial, während Weidel Steuersenkungen befürwortet und die Schuldenbremse verteidigt.
Eine “sehr differenzierte Sicht”
Konfrontationen suchten beide Politikerinnen nur in wenigen Punkten. Wagenknecht kritisierte Weidel hinsichtlich Björn Höcke, der von ihr als derjenige bezeichnet wird, der die AfD in den “Neonazi-Sumpf” zieht.
Höcke hatte 2023 die Ausweisung von Migranten aus Deutschland gefordert. “Solche Ressentiments dürfen nicht geschürt werden”, stellte Wagenknecht fest. Weidel muss sich dem Vorwurf, mit Höcke gemeinsame Sache zu machen, immer wieder entziehen.
Wagenknecht konfrontierte Weidel jedoch bezüglich ihrer früheren politischen Überzeugungen, welche laut Weidel 20 Jahre zurückliegen.
Angesichts der Bestrebungen beider Frauen, ihre Wählerbasis zu vergrößern und gleichzeitig die Wähler der jeweils anderen Partei im Blick zu behalten, blieb die Atmosphäre bei der Diskussion überwiegend freundlich. Wagenknecht entlastete Weidel vom Vorwurf des Rechtsextremismus, während Weidel Wagenknecht eine “sehr differenzierte” Sicht bescheinigte.
Wer genau hinhörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass Höcke der zentrale Hindernisfaktor für eine Koalition zwischen AfD und BSW ist, was die Situation jedoch komplexer macht.
Wo beide Parteien zusammen stimmen
Trotz der Kritik an das BSW in der AfD kommt es intern zu strategischen Überlegungen einer Zusammenarbeit. Während im BSW einige Abgeordnete wenig begeistert von Koalitionen sind, hat eine neue Fraktion im Thüringer Landtag dafür gesorgt, dass die AfD nicht das Amt des Landtagspräsidenten übernehmen konnte. Momentan nähern sich beide Parteien nur in spezifischen Projekten.
Am Tag vor dem TV-Duell berichtete Wagenknecht, dass die Mehrheit der AfD-Bundestagsfraktion einem BSW-Antrag zur Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses zugestimmt hatte. Auch wenn das erforderliche Quorum nicht erreicht wird, nimmt das BSW die Stimmen gerne an.
Ähnliches könnte in Sachsen stattfinden, wo am 25. Oktober eine Sondersitzung des Landtags anberaumt ist. Das BSW hat auch hier einen Corona-Untersuchungsausschuss beantragt, während die AfD ebenfalls einen solchen beantragt und genug Abgeordnete hätte, um ihn eigenständig einzusetzen.
Wagenknechts Partei ist hingegen auf Stimmen von anderen Parteien angewiesen und hat den Antrag genutzt, um potenzielle Koalitionspartner wie CDU und SPD zu überraschen. Es besteht die Möglichkeit, dass das BSW am Ende den AfD-Antrag unterstützt, obwohl noch keine Entscheidung über die Vorgehensweise getroffen wurde.