Hintergrund
Nach den Geschehnissen im Thüringer Landtag fordern mehrere Politiker ein Verbotsverfahren gegen die AfD, während die verfassungsrechtlichen Hürden für ein solches Vorhaben beträchtlich sind.
Im Thüringer Landtag sollte ein neuer Landtagspräsident gewählt werden, doch die konstituierende Sitzung wurde ergebnislos abgebrochen. Der Alterspräsident Jürgen Treutler, der traditionell überparteilich leiten sollte, hatte Anträge zur Geschäftsordnung nicht zugelassen, Ordnungsrufe erteilt und eine stark parteipolitisch gefärbte Rede gehalten.
Über die Rechtmäßigkeit dieser Vorgänge wird das Landesverfassungsgericht in Weimar entscheiden. Zuvor hatte die CDU einen Eilantrag gestellt. Öffentliche Rufe nach einem Verbotsantrag gegen die AfD werden lauter, jedoch ist es unwahrscheinlich, dass die Vorgänge im Landtag allein dafür ausreichen.
Nur das Bundesverfassungsgericht kann verbieten
In Deutschland kann ein Parteiverbot nur vom Bundesverfassungsgericht verhängt werden. Anträge können von der Bundesregierung, dem Bundestag, dem Bundesrat oder der jeweiligen Landesregierung gestellt werden. Ob ein solcher Antrag erfolgt, bleibt eine politische Entscheidung.
Ein solcher Antrag hat Erfolg, wenn die fragliche Partei verfassungswidrig ist. Das Grundgesetz legt fest, dass Parteien, die die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder den Bestand der Bundesrepublik gefährden, verfassungswidrig sind.
Die Verfassungswidrigkeit kann sich auch auf einen rechtlich oder organisatorisch selbstständigen Teil einer Partei beziehen. Ein Verbot einzelner Landesverbände ist möglich, sofern diese die Kriterien erfüllen. Die Frage, ob Verbotsanträge auf spezifische Landesverbände beschränkt werden können, bleibt jedoch unter Verfassungsjuristen umstritten.
Die “schärfste Waffe des Rechtsstaats”
Das Bundesverfassungsgericht definierte im NPD-Urteil von Januar 2017, dass ein Parteiverbot nur in extremen Ausnahmefällen erfolgen kann. Es gilt als “die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde”.
Zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein: Eine inhaltliche Verfassungswidrigkeit sowie eine gewisse Wirkmacht der Partei. Politisch unbedeutende Parteien, die keine politische Relevanz haben, können nicht verboten werden, auch wenn sie inhaltlich verfassungswidrig sind.
Die konkreten Voraussetzungen
Eine Partei muss danach streben, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, um als verfassungswidrig zu gelten. Der Bundesverfassungsgericht hat die “Grundsäulen” des politischen Systems festgelegt, die die Garantie der Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip umfassen.
Die Ziele der Partei, die möglicherweise diese Elemente in Frage stellen, müssen in ihrem Parteiprogramm oder im Verhalten ihrer Anhänger deutlich werden.
Die Frage der “Potentialität”
Die zweite Voraussetzung ist, dass die Partei “darauf ausgeht”, ihre Ziele umzusetzen. Dies erfordert aktives Handeln und Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass diese Bemühungen erfolgreich sein können. Dieser Aspekt wird als “Potentialität” bezeichnet.
Eine breite Unterstützung in der Bevölkerung ist kein Argument gegen ein Parteiverbot. Kleinere Parteien ohne politische Einflussmöglichkeiten können nicht verboten werden. Ihnen kann lediglich die Teilfinanzierung entzogen werden, was der NPD bereits widerfahren ist.
Wichtige Vorstufe: Materialsammlung
Ein Verbotsantrag muss klare Beweise für die Verfassungswidrigkeit der Partei liefern. Der erste Schritt dafür ist die Zusammenstellung und juristische Bewertung möglicher Beweise durch eine Arbeitsgruppe aus Politikern und Juristen. Hierzu gehören öffentlich zugängliche Materialien wie Äußerungen von Politikern, Parteiprogramme und das Verhalten von Abgeordneten.
Im politischen Meinungsstreit gelten gewisse Grenzen: Wenn eine Partei ausschließlich demokratische Institutionen verächtlich macht, könnte das als Beweis dienen. Zudem wird Material von Verfassungsschutzbehörden auf Bundes- und Landesebene berücksichtigt.
In mehreren Bundesländern beobachten die Verfassungsschutzbehörden die dortigen AfD-Landesverbände aufgrund “gesicherter extremistischer Bestrebungen”. Diese Einschätzung bedeutet jedoch noch kein Parteiverbot. Auf diese Beweise könnte bei einem Verbotsantrag zurückgegriffen werden, aber es bleibt abzuwarten, ob sie die nötige Verfassungswidrigkeit belegen können. Die politische Wirkmacht der AfD ist dabei jedoch unbestritten, wie die jüngsten Landtagswahlen gezeigt haben.