Brandenburgs Wähler stehen vor der Herausforderung, einen Aufstieg der AfD zu verhindern. In Bernau spielt Péter Vida, ein selbsternannter Populist, eine zentrale Rolle.
Am Samstagmorgen vor der Brandenburger Landtagswahl geht Péter Vida in der Bernauer Fußgängerzone auf Passanten zu, dabei hält er drei Orangen in der Hand. “Darf ich Ihnen ein bisschen Vitamin C anbieten?”
Vida, der für Bernau im Landtag sitzt, hat zwei Tonnen Orangen organisiert, um das Erkennungszeichen seiner Vereinigung BVB/Freie Wähler zu kommunizieren. Andere Parteien bezeichnet er abfällig als “faules Obst”, einschließlich der AfD.
Laut Umfragen könnte die AfD bei der Landtagswahl die stärkste Partei werden, was zu einem Ergebnis ähnlich wie in Thüringen führen könnte, wo die Partei eine Drittel-Mehrheit im Parlament hat und wichtige Entscheidungen blockieren kann.
Für Brandenburg bedeutet dies, dass die AfD mit 37 von 44 direkt gewonnenen Wahlkreisen eine Sperrminorität hätte. Ihr Hauptgegner ist die regierende SPD, doch in Bernau könnte Vieles von Péter Vidas Einfluss abhängen, der auf seine Strategie mit dem “Populismus der Mitte” setzt.
Péter Vida strebt nach einer Regierungsbeteiligung
Vida ist führend bei BVB/Freie Wähler, einer politischen Vereinigung, die mehrere Wählergruppen vereint. Vor zehn Jahren half die Grundmandatsklausel, die Vereinigung in den Landtag einzuführen, auch wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwindet. 2019 schaffte BVB/FW dann die fünf Prozent.
Péter Vida, 40 Jahre alt und Rechtsanwalt von Beruf, hat seine Wahlkampf-Energie zum Ziel, tausende von Haustürgesprächen zu führen. Er hat kürzlich Gutscheine für Döner verteilt, um Schüler anzulocken.
Sein Stil ist auffällig und provokant. In Werbevideos sucht ein grün-gekleideter Kobold, Gold aus dem Stromzähler zu zapfen, mit dem Slogan: “Grüne raus + Orangen rein = Preise runter”.
Vida beschreibt seine Art der Kommunikation als “auf Augenhöhe”, ohne Ernsthaftigkeit zu verlieren. Er sieht sich als “Kümmerer vor Ort” und ist den Pendlern und Eigenheimbesitzern in Bernau sehr nah.
Zu seinen Erfolgen zählt er die Verbesserung der S-Bahn-Verbindungen und die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, die vor fünf Jahren durch eine Volksinitiative seiner Partei angestoßen wurden. Nun fragt er die Regierung auf die Abschaffung der Erschließungsbeiträge an.
In der Woche vor der Wahl will Vida seine Forderungen für eine Regierungsbeteiligung bekanntgeben. Die Botschaft lautet, dass keine “Koalition der Mitte” ohne BVB/FW möglich sei. Er ist überzeugt, dass die Grünen nicht wieder in den Landtag einziehen werden.
Obwohl die politischen Gegner in Potsdam seine Ambitionen reserviert betrachten, gilt es als sicher, dass Vida das Direktmandat verteidigen wird. Er selbst glaubt, der Wahlkampf werde zwischen seiner Person und dem AfD-Kandidaten ausgefochten.
SPDs Martina Maxi Schmidt positioniert sich als Alternative
Martina Maxi Schmidt, 36-jährige Projektmanagerin und Kandidatin der Sozialdemokraten, vertritt differenzierte Ansichten und sieht sich als Antwort auf einfache Lösungen. Sie meint: “Eine Lösung kommt selten allein”.
Als Zuzüglerin in Bernau ist sie in der Region verwurzelt. Die gebürtige Brandenburgerin kam für ihren Job nach Berlin und hat kürzlich den Speckgürtel gewählt, behält jedoch ihre Hausärzte in der Stadt, da die lokalen Praxen überfüllt sind.
Über Vida sagt Schmidt: “Er ist laut und sichtbar.” Viele in Bernau sind von Vidas Dauertrommeln genervt, weil beiden es an echtem Zuhören fehle.
Schmidt befindet sich auf Listenplatz 22 bei der SPD. Ein Scheitern gegen Vida könnte für sie den Verlust des Landtagsitzes bedeuten, während der AfD-Kandidat auf das Direktmandat angewiesen ist.
AfD könnte von der Stimmung profitieren
Steffen John ist trotzig und zeigt Präsenz, indem er auf dem Markt ein Plakat mit der Botschaft: “Auch Orangen können schimmeln” anbringt.
Der AfD-Kandidat hat zuletzt viel durchlebt. Vor fünf Jahren gewann er das Direktmandat im Nachbarwahlkreis, doch jetzt wurde er von Lena Kortré übertrumpft, die eine “Abschiebeindustrie” fordern möchte.
Trotz eines Rückschlags hat John beim Marktbesuch eine gehörige verbale Unterstützung erfahren. “Wir wählen AfD”, erklärt eine junge Mutter, mit ihrem Partner, der hinzufügt, es geht darum, “die Asozialen aus dem Land zu bekommen”.
Einige ältere Damen äußern sich negativ über “die Ausländer, die schmarotzen”. Sie stehen zwischen einer Wahl für die AfD oder Wagenknecht. Letztere hat jedoch keine Direktkandidaten aufgestellt.
John nennt den Protest gegen ein Übergangswohnheim für Asylbewerber als seine größte Errungenschaft. “Die Leute wollen Veränderung”, sagt er, während er Vida als “False Flag”, also eine Täuschung, bezeichnet.
Der Wettkampf um die Jugend
Die Kommunalwahlen im Juni zeigten, dass John nicht chancenlos ist, denn in Bernau wurde die AfD Zweiter hinter der BVB/FW, während sie in der Nachbargemeinde Panketal den ersten Platz belegte.
Der Zuspruch zur AfD bei jungen Wählern wächst, was John als “Reiz des Verbotenen” beschreibt. In Brandenburg dürfen bereits 16-Jährige an den Landtagswahlen teilnehmen.
Eine Gruppe Jugendlicher zeigt sich stolz, ein SPD-Plakat entfernt zu haben, während sie gleichzeitig Aufkleber der AfD an Laternen anbringen. John ist jedoch bedacht und mahnt sie zur Mäßigung.
Péter Vida wird emotional, wenn es um die Berichterstattung zur AfD geht: “Man muss den Leuten respektvoll mit ihren Themen und Fakten begegnen.” Er fordert ein stärkeres politisches Engagement vor Ort von allen Demokraten, und sieht sich als Teil davon.