EU-Gipfel zu Migration
EU-Staaten gespalten und unter Druck in Migrationsdebatte
17.10.2024, 10:26 Uhr
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Die Migrationsdiskussion steht im Mittelpunkt des aktuellen EU-Gipfels. Angesichts des Aufstiegs rechtspopulistischer Parteien fühlen sich Deutschland und andere Mitgliedstaaten unter zunehmendem Handlungsdruck. Die unterschiedlichen Positionen der 27 Staats- und Regierungschefs könnten jedoch laut Diplomaten die Einigung auf eine gemeinsame Erklärung gefährden.
Was steht auf der Agenda des Gipfels?
Im Mittelpunkt steht ein Zehn-Punkte-Plan der EU-Kommissionspräsidentin, der unter anderem eine Verbesserung der Rückführungsmaßnahmen vorsieht. Laut Eurostat wurden im letzten Jahr über 480.000 Drittstaatsangehörige zur Ausreise aus der EU aufgefordert, doch in nur jedem fünften Fall erfolgte tatsächlich eine Rückkehr.
Würden Abschiebezentren helfen?
Abschiebezentren in Drittstaaten sind eine kontroverse Maßnahme, die Migranten am Zugang zur EU hindern soll. Italiens Premierministerin hat Verträge mit Albanien abgeschlossen, um dort Asyllager zu errichten, wo Tausende Anträge jährlich bearbeitet werden sollen. Kürzlich wurden die ersten 16 Männer aus Ägypten und Bangladesch nach Albanien verbracht.
Warum sind diese Zentren umstritten?
Flüchtlingsorganisationen warnen vor möglichen Menschenrechtsverletzungen und einem Umgehen der EU-Standards in diesen Abschiebezentren. Auch einige EU-Staaten lehnen das Konzept aus verschiedenen Gründen ab. Bislang hat sich außer Albanien kein Drittstaat bereit erklärt, an solchen Projekten mitzuarbeiten. Kürzlich wurden britische Pläne für Abschiebungen nach Ruanda gestoppt.
Was sind die weiteren Vorschläge von der Leyen?
Die EU-Kommissionspräsidentin plant außerdem, die Rückführungsrichtlinie von 2008 zu überarbeiten. Ziel ist es, dass Mitgliedstaaten ihre Abschiebebeschlüsse gegenseitig anerkennen, um das Abwandern abgelehnter Asylbewerber in andere EU-Länder zu verhindern. Zudem soll der Einsatz von Visa als Druckmittel zur Rücknahme von Staatsangehörigen durch Drittstaaten gestärkt werden.
Kann das Asylrecht ausgesetzt werden?
Polens Premier hat kürzlich angedeutet, dass er das Asylrecht aussetzen möchte, um dem gezielten Einschleusen von Migranten durch Russland und Belarus entgegenzuwirken. Das Asylrecht ist jedoch seit dem Zweiten Weltkrieg ein integraler Bestandteil europäischer und internationaler Verträge.
Könnten Ausnahmen möglich sein?
Die Niederlande und Ungarn haben beim EU-Kommission solche Ausnahmen beantragt, was jedoch eine langwierige Vertragsänderung erfordern würde, der alle Mitgliedsländer zustimmen müssten. Viele Staaten befürchten, dass das gemeinsame Asylsystem gefährdet wird, wenn einzelne Länder aussteigen.
Welche Rolle spielt Deutschland beim Gipfel?
Es gibt Spannungen bezüglich der Kontrollen an den deutschen Landgrenzen, die von der Ampel-Koalition eingeführt wurden. Nachbarn wie Polen und Griechenland setzen Kanzler Olaf Scholz unter Druck, diese schnell zu beenden.
Was hofft Deutschland beim Gipfel zu erreichen?
Bei seiner Rede im Bundestag erwähnte Scholz die Migration nicht, was scharfe Kritik der Opposition nach sich zog. Schreibtischberichten zufolge setzt sich die Bundesregierung für eine zügige Umsetzung der im Mai beschlossenen Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems ein. Diese Reform ermöglicht zum ersten Mal Asylverfahren und Abschiebungen direkt an den Außengrenzen. Der Kanzler will zudem erneut auf die Anwendung der Dublin-Regeln bestehen, die besagen, dass das EU-Ersteinreiseland Asylbewerber zurücknehmen muss, was Italien und Griechenland größtenteils verweigern.