Studie zu Judenfeindlichkeit
Zusammenhang zwischen Pro-Palästina-Positionen und Antisemitismus untersucht
15.10.2024, 15:54 Uhr
In Deutschland werden rund um Pro-Palästina-Proteste immer wieder Vorwürfe des Antisemitismus laut. Besteht hier ein weit verbreitetes Problem unter jungen linken Akademikern oder handelt es sich lediglich um eine kleine, radikale Gruppierung? Eine neue Studie liefert Klarheit.
Ein Protestcamp für Palästina in Dortmund wurde vor dem Besuch einer prominenten Klimaaktivistin geschlossen, während in Berlin nach Raketenangriffen frenetisch gefeiert wird. Am Jahrestag eines gewaltsamen Übergriffs brennen Reifen in Neukölln. Auch deutsche Universitäten sehen sich häufig mit Pro-Palästina-Protesten konfrontiert, die in Ausschreitungen und Räumungen münden. Viele verbinden Solidarität mit Palästina zwangsläufig mit Antisemitismus, insbesondere in jüngeren, linken und akademischen Kreisen. Doch eine Studie von der Universität Mannheim stellt diese Annahme infrage.
Die Studie befragte deutschlandweit 3702 Teilnehmer zu den Zusammenhängen zwischen traditionellem Antisemitismus, Antizionismus und pro-palästinensischen Einstellungen. Die Forscher, Marc Helbling und Richard Traunmüller, fanden heraus, dass junge, linksorientierte Menschen stark pro-palästinensische Ansichten vertreten, jedoch kaum mit dem traditionellen Antisemitismus in Verbindung stehen. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse, dass junge linke Akademiker in dieser Hinsicht weniger antisemitisch sind als andere Gruppen.
“Großer gesellschaftlicher Konsens” in Deutschland
Behauptungen über Juden, die “mehr hinter Geld her sind” oder “zu viel Einfluss” in der Welt haben, finden bei jüngeren Linken wenig Anklang. Diese Form des traditionellen Antisemitismus ist laut der Studie vor allem unter über 65-Jährigen und politisch Rechten verbreitet. “Obwohl radikale Aktivistengruppen anstoßende Parolen verwenden, kann dies nicht für das gesamte linke akademische Milieu verallgemeinert werden”, so die Schlussfolgerungen der Forscher.
Die Untersuchung identifizierte jedoch eine “mittelstarke Korrelation” zwischen pro-palästinensischen Haltungen und antizionistischem Antisemitismus, der sich auf den Staat Israel konzentriert und Juden kollektiv für dessen Politik verantwortlich macht. Bei der Frage nach dem Existenzrecht Israels oder Vergleichen mit der NS-Zeit zeigen junge Linke nur minimal häufigere kritische Ansichten als andere Gruppierungen. Diese Unterschiede sind statistisch gesehen jedoch gering.
Die Studie hebt hervor, dass in Deutschland ein “großer gesellschaftlicher Konsens” über grundlegende Fragen zur Situation im Nahen Osten besteht. 82 Prozent der Befragten befürworten das Existenzrecht Israels als Heimatland für das jüdische Volk, und 86 Prozent unterstützen das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegenüber Bedrohungen. Darüber hinaus sehen 85 Prozent das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat als legitim an, und etwa zwei Drittel sind der Ansicht, dass Palästinenser von Israel unterdrückt werden. Lediglich sechs Prozent betrachten palästinensische Terroristen als “Freiheitskämpfer”.