Analyse
Ukrainischer Präsident Selenskyj fordert in Berlin militärische Unterstützung. Kanzler Scholz versichert weitere Hilfen, jedoch bleibt ein bedeutender Wunsch unerfüllt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird in Berlin mit nüchternem Empfang empfangen. Anders als sein herzlicher Besuch in Paris bei Frankreichs Präsidenten fand in Deutschland lediglich ein formeller Händedruck mit Kanzler Olaf Scholz statt.
Dies ist Selenskyjs zweiter Besuch in Berlin innerhalb weniger Wochen und das vierte Treffen insgesamt. Trotz der vorgeblich freundschaftlichen Beziehung zwischen Selenskyj und Scholz, gibt es erkennbare Spannungen. Die beiden Politiker haben sich wiederholt als enge Partner dargestellt, was jedoch durch unterschiedliche Humorverständnisse getrübt wird.
Vorbereitung auf US-Wahlen
Bei seinem ersten Besuch in Berlin vor einem Jahr hatte Selenskyj humorvoll betont, dass Deutschland der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine sei, hinter den USA. Er äußerte den Wunsch, Deutschland an die Spitze zu bringen, was einigen Schmunzeln entlockte.
Hinter diesem Humor steht eine ernsthafte Besorgnis: Was geschieht, wenn die USA als größter Unterstützer nach den kommenden US-Wahlen ausfallen? Ein geplanter Austausch mit US-Präsident Joe Biden musste aufgrund des Hurrikans “Milton” abgesagt werden, was die Dringlichkeit für Selenskyj erhöht, sich um europäische Staaten einzeln zu kümmern.
Scholz hält an Verteidigungsposition fest
In den letzten Tagen hat Selenskyj Europa bereist und die westlichen Verbündeten um Zustimmung ersucht, weitreichende Waffen gegen russische Ziele einzusetzen. Im Gegensatz zu anderen NATO-Staaten hat Deutschland solche Waffen bislang nicht bereitgestellt.
Besonders der Marschflugkörper “Taurus” mit einer Reichweite von 500 Kilometern bleibt unter Scholz’ Kontrolle. Seine Bedenken, dass Deutschland und die NATO in den Konflikt hineingezogen werden könnten, verhindern eine Lieferung. Scholz strebt an, als “Friedenskanzler” wahrgenommen zu werden und betont die Notwendigkeit durchdachter Entscheidungen.
Finanzielle Unterstützung für die Ukraine gesichert
Scholz empfängt Selenskyj jedoch nicht mit leeren Händen. Er kündigte 170 Millionen Euro an, um unmittelbare Schäden zu beheben, sowie zusätzliche militärische Unterstützung im Wert von 1,4 Milliarden Euro bis Ende des Jahres, einschließlich Luftverteidigungssystemen und Munition. Dieses Unterstützungspaket soll zusammen mit anderen europäischen Ländern bereitgestellt werden.
Bereits im September wurde bekannt, dass die Bundesregierung trotz begrenzter Haushaltsmittel zusätzliche Projekte für die Ukraine im Umfang von 1,4 Milliarden Euro plant. Eine überplanmäßige Ausgabe von 400 Millionen Euro wurde bereits beantragt, um diese Unterstützung zu finanzieren. Zudem hat Scholz Unterstützungshilfen für 2025 in Höhe von vier Milliarden Euro zugesagt.
Die Botschaft des Kanzlers ist klar: Die Unterstützung und Solidarität mit der Ukraine werden auch im kommenden Jahr fortgesetzt, ungeachtet der geopolitischen Herausforderungen, die durch den Nahost-Konflikt entstanden sind.
Für den ukrainischen Präsidenten ist dies ein wichtiges Signal, doch es gab keine Fragen oder Erklärungen zu den künftigen Reaktionen Scholz’ auf Selenskyjs Forderungen nach weiteren militärischen Hilfen.
Selenskyjs “Siegesplan” unter Druck
Die Frage bleibt, wie der ukrainische Präsident seinem “Siegesplan” gegen Russland Nachdruck verleihen will – mit welchen militärischen Mitteln oder Wirtschaftssanktionen?
Ursprünglich plante Selenskyj, seinen “Siegesplan” auch bei einem Treffen mit Biden vorzustellen. Sein Ziel ist es, Russland militärisch zu zwingen, Friedensverhandlungen aufzunehmen und den Konflikt zu beenden. Der ukrainische Präsident führt aktuell Gespräche mit europäischen Partnern, um deren militärischen Beistand zu intensivieren.
Die Dringlichkeit zur Unterstützung wächst, insbesondere mit dem bevorstehenden harten Winter. Selenskyj erklärt: “Wir werden Frieden erzwingen können”, und betont, dass das Ziel ein gerechter Frieden sein muss. Die Schlüsselfrage bleibt jedoch, wie schnell dieser Frieden erreicht werden kann und inwieweit Kanzler Scholz bereit ist, sich an Selenskyjs Forderungen zu orientieren.