Seit zehn Jahren kaum eine Spur
Rätsel um das Schicksal von 43 Studenten in Mexiko
26.09.2024, 07:44 Uhr
Im Jahr 2014 wurden in Südmexiko 43 Studenten von Polizisten und Bandenmitgliedern verschleppt. Abgesehen von drei gefundenen Knochen fehlt bis heute jede Spur von ihnen. Die Angehörigen fordern Gerechtigkeit.
An einer Ecke der Paseo de la Reforma in Mexiko-Stadt steht eine große rote 43, die an diese düstere Geschichte erinnert. Vor zehn Jahren verschwanden die 43 Studenten, und am Jahrestag werden ihre Angehörigen erneut auf die Straßen ziehen, um Gerechtigkeit einzufordern.
In der Nacht des 26. Septembers 2014 erlebten die Studenten des Lehrerseminars in Ayotzinapa im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero eine Albtraumnacht. Unklar bleibt, was mit ihnen geschah und warum korrupte Polizisten die Studenten in Iguala festnahmen und möglicherweise einem Drogenkartell übergaben, das mit ihnen das Unheil trieb. Bislang wurden nur drei Studenten anhand verbrannter Knochenteile identifiziert.
Enttäuschte Hoffnungen
Anfänglich ermittelten die Behörden im Verdacht, dass das Drogenkartell Guerreros Unidos und korrupten Polizisten die Studenten für Mitglieder einer Rivalen-Bande hielten. Später wurde die Hypothese geäußert, die Studenten hätten unwissentlich einen Bus mit Drogen entführt. Dennoch bleiben viele Fragen unbeantwortet.
Bei seinem Amtsantritt im Jahr 2018 weckte Präsident Andrés Manuel López Obrador große Hoffnungen. Er gründete eine Wahrheitskommission und versprach, die Studenten zu finden. Doch seine Amtszeit endet ohne Fortschritte. “Vor sechs Jahren gab er uns viel Hoffnung. Wir dachten, wir würden die Wahrheit erfahren, doch leider war das nicht der Fall”, sagte die Mutter eines der vermissten Studenten.
Zusätzlich kritisierte der Präsident die Menschenrechtsorganisationen, die die Familien juristisch unterstützen, und untergrub ihre Arbeit. Die Angehörigen hoffen auf einen besseren Dialog mit seiner Nachfolgerin.
Deutsche Waffen im Einsatz
Die Mehrheit der 43 Studenten hatte kurz vor ihrer Entführung ihr Studium am linken Lehrerseminar von Ayotzinapa begonnen. Die Altersspanne reichte von 17 bis 33 Jahren. Das Internat nimmt Studenten aus ländlichen und indigenen Familien auf und gilt als politisch engagierte Institution.
An jenem tragischen Wochenende waren rund 100 Studenten dabei, was an der Hochschule gängige Praxis ist: Sie kaperten Busse, um zu einer Demonstration zu fahren. Doch diesmal wurden sie in einer koordinierten Attacke von Polizisten und Bandenmitgliedern angegriffen.
Sechs Menschen verloren an diesem Abend ihr Leben, 43 Studenten verschwanden spurlos. Einige konnten fliehen oder wurden verletzt, einer liegt seither im Wachkoma. Auf die von lokalen Polizeikräften verwendeten Waffen wurden horrende Verbindungen zur deutschen Waffenindustrie festgestellt.
Staatsverbrechen im Fokus
Die 2014 veröffentlichte offizielle Version, die besagt, die Studenten seien getötet und verbrannt worden, wurde von einer unabhängigen internationalen Kommission verworfen. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass die Opfer in mehrere Gruppen aufgeteilt und an verschiedenen Orten umgebracht wurden.
Aufgrund der staatlichen Beteiligung wurde die Tat als Staatsverbrechen eingestuft, es wird angenommen, dass auch Militärs involviert waren. Der Präsident verteidigte jedoch die Institution und sagte, es gäbe keine Beweise für eine Beteiligung der Streitkräfte. Dies führte zu Rücktritten innerhalb der Ermittlungsbehörde.
Rund 120 Personen, darunter Bandenmitglieder, Polizisten und ehemalige Beamte, sind in Haft oder stehen unter Bewährungsbedingungen. Wegen erheblicher Ermittlungsfehler wurden auch viele Verdächtige freigelassen. Ein erschreckendes Bild von Ungerechtigkeit und Straflosigkeit zeigt sich: In Mexiko sind nach offiziellen Schätzungen mehr als 100.000 Menschen vermisst.