Interview
Außenministerin Baerbock betont, dass Europa sich nicht von den plötzlichen Veränderungen in den USA verunsichern lassen darf und weiterhin die Ukraine unterstützen muss. Für Deutschland bedeutet dies, die Schuldenbremse anzupassen.
Frage: US-Medien berichten über mögliche Verhandlungen zwischen Russland und den USA sowie einen möglichen Gipfel zwischen Trump und Putin. Was ist Ihr Standpunkt?
Baerbock: Die Situation ist komplex. Gespräche auf Ministerebene sind im Gange, aber die Abläufe sind unklar. Wir müssen die unterschiedlichen Ansätze der Akteure in den USA verstehen. Es ist entscheidend, dass wir uns nicht durcheinanderbringen lassen, sondern daran arbeiten, eine einheitliche europäische Position zu formulieren.
Für uns als Europäer ist es wichtig, unsere Werte und Interessen klar zu vertreten. Unser zentrales Anliegen ist es, Frieden auf dem europäischen Kontinent zu gewährleisten, und daher müssen sämtliche Gespräche unter Einbeziehung Europas stattfinden.
“Ein Diktatfrieden ist kein Frieden”
Frage: Trump plädiert für einen schnellen Waffenstillstand, wodurch Europa die Friedenstruppe stellen soll – ist dies möglich?
Baerbock: Ein Scheinfrieden ist nicht akzeptabel. Europa muss geschlossen für einen echten Frieden eintreten, und wir müssen sicherstellen, dass wir nicht für einen weiteren Krieg vorbereitet werden. Das ist besonders wichtig für Länder wie Moldau, die große Sorgen haben.
“Kein Gewinn für den amerikanischen Präsidenten”
Frage: Es wird gefordert, dass Europa direkt an den Friedensgesprächen teilnimmt, aber US-Vertreter halten das für unrealistisch. Was denken Sie?
Baerbock: Europa muss seine Interessen klar vertreten. Wir sind als europäische Gemeinschaft stark und selbstbewusst und werden uns nicht zurückziehen, nur weil andere Dinge vorschlagen, die nicht mit unseren Werten übereinstimmen.
Frage: Wie werden Sie Trump überzeugen, wenn europäische Interessen nicht für alle überzeugend sind?
Baerbock: Es geht nicht darum, zu überzeugen, sondern um eine klare Haltung. Wir müssen zeigen, dass wir bereit sind, für unsere Werte zu kämpfen. Ein eingeschlagener falscher Weg führt nicht zum Ziel.
Es gibt ein starkes Interesse daran, dass Trump nicht als Verlierer dasteht. Ein unhaltbarer Frieden würde in jedem Fall Putin stärken, was wir unbedingt verhindern müssen.
Zudem beobachten globale Akteure wie China genau, wie wir auf diese Krise reagieren. Ein Eindruck von Schwäche könnte negative Folgen haben, deshalb müssen wir schnell und entschieden für unsere Werte einstehen.
“Schuldenbremse anpassen, um unseren Frieden zu retten”
Frage: Der Bundeskanzler hat einen Notlagenbeschluss gefordert, aber das Parlament hat noch keinen Konsens gefunden. Ist das vor der Wahl realistisch?
Baerbock: Die Finanzierung steht bereit, war aber durch Blockaden verzögert. Es ist entscheidend, dass Deutschland als größte Nation in Europa aktiv Verantwortung übernimmt.
Unsere Unterstützung für die Ukraine ist unerlässlich, um zukünftige Komplikationen zu vermeiden. Wir müssen die Schuldenbremse anpassen, um die Sicherheit in Europa zu gewährleisten.
Frage: Ist es Zeit, die Deutschen über mögliche Einsätze der Bundeswehr in der Ukraine vor der Wahl aufzuklären?
Baerbock: Die Diskussion um einen militärischen Einsatz sollte vorsichtig geführt werden. Entscheidend ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Friedensmissionen könnten in Betracht gezogen werden, aber nicht, solange die Situation eskaliert.
“Europäische Armee – für eine Zukunft irgendwann”
Frage: Präsident Selenskyj fordert eine europäische Armee. Ist diese realistisch?
Baerbock: Eine europäische Armee ist ein langfristiges Ziel, aber im Moment liegt der Fokus auf dem Erreichen eines echten Friedens und stabilen Verhandlungen. Diese Ziele sind für uns als Europäer von zentraler Bedeutung.