Analyse
Bundeskanzler Olaf Scholz trat heute im Bundestag ans Rednerpult, während die Erwartungen seiner Sozialdemokraten hoch waren. Wie hat er sich in seiner Regierungserklärung geschlagen?
Scholz sprach für rund zwanzig Minuten, als die Stimmung im Plenum kippte. Unter lautem Protest der Union musste er seine Stimme erheben, während er CDU-Chef Friedrich Merz vorwarf, nichts zu tun, ohne mit Kritik an der Arbeit zu beginnen.
Der Kanzler kritisierte die Familienpolitik der Union als durchweg negativ und betonte, dass Leistungsträger in der Gesellschaft nicht nur jene wären, die hohe Einkommen erzielen.
So wollen sie ihn haben – angriffslustig und pointiert
Diese aggressive Rhetorik fand Zustimmung bei der SPD-Fraktion, die dem Kanzler lautstark Beifall spendete. Im Vorfeld hatte man viel darüber diskutiert, den Unterschied zwischen der SPD und der CDU klar zu machen. Dies war ein erster Eindruck, wie diese Botschaft im Wahlkampf vermittelt werden könnte.
Viele Themen und eine “industriepolitische Agenda”
In seiner Rede sprach Scholz eine Vielzahl an Themen an: die Beziehung zu den USA, die unvermindere Unterstützung für die Ukraine, den Konflikt zwischen Hamas und Israel, Bürokratieabbau, eine dringend benötigte Kapitalmarktunion sowie eine offensive Handelspolitik.
Zudem stellte der Kanzler eine “neue industriepolitische Agenda” vor, um Arbeitsplätze zu sichern. Unternehmensvertreter, Industrielle, Gewerkschaften und Verbände sollen im Februar zu Gesprächen ins Kanzleramt eingeladen werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte diese Initiative, fordert jedoch konkrete Taten.
Ein Thema, das Scholz ausließ, war die Migration, das jedoch bei den bald stattfindenden Beratungen des europäischen Rates in Brüssel eine zentrale Rolle spielen wird.
“Fast schon verzweifelte Wahlkampfrede”
Friedrich Merz kommentierte Scholz’ Rede als eine “fast schon verzweifelte Wahlkampfrede” und kritisierte, dass der Kanzler kein Wort zur Migrationskrise verloren habe. Merz stellte fest, dass Scholz’ Themen hauptsächlich innenpolitisch motiviert waren und sich nur an die SPD-Fraktion richteten. Zudem äußerte er Zweifel an der governability Scholz’ bei der Migrationspolitik.
Anzeichen des bevorstehenden Wahlkampfs wurden deutlich: Migration und ein “Respekt”-Wahlkampf, wobei auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil häufig von der “hart arbeitenden Bevölkerung” sprach, die sich um Familie und Ehrenamt kümmert.
Angriffsmodus auch bei den anderen Fraktionen
Klingbeil sorgte für Gelächter, als er das Plenum mit “liebe Genossen” anredete, und forderte CSU-Politiker Dobrindt auf, sich für die vergangenen Missstände im Verkehrswesen zu entschuldigen. Dobrindt warf Scholz vor, mit unerfüllten Ankündigungen die gesellschaftliche Polarisierung zu verstärken.
Katharina Dröge, Fraktionschefin der Grünen, warf Merz vor, mit Ängsten zu spielen und eine negative Sicht auf Veränderungen zu schüren. Tino Chrupalla von der AfD kritisierte die Politik und forderte Scholz zum Handeln oder Rücktritt auf.
Sahra Wagenknecht, BSW-Abgeordnete, befürwortete Neuwahlen und schloss sich Chrupalla in der Ablehnung von Waffenlieferungen an. FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnete Beide ob ihrer Positionen als Teil der “Achse Moskau-Teheran”.