Das Landesverfassungsgericht in Thüringen steht vor der Aufgabe, kritische Fragen zu beantworten, nachdem die AfD nun Einfluss auf die Wahl der dortigen Richter hat.
Nach den Wahlen in Brandenburg zeigen sich viele AfD-Anhänger optimistisch. Im Landtag hat die Partei über ein Drittel der Sitze gewonnen und sich damit eine Sperrminorität gesichert. René Springer, Vorsitzender der AfD Brandenburg, äußert die Erwartung, durch diese Position die etablierten Parteien zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, besonders bei wichtigen Entscheidungen wie der Ernennung von Richtern.
Sollte die AfD die Abstimmungen über die Richter unterstützen, könnte sie im Gegenzug die Zustimmung zu ihren Gesetzesinitiativen einfordern. Jüngstes Beispiel ist die Forderung der AfD-Fraktion in Brandenburg, anerkannte Asylbewerber und ukrainische Kriegsflüchtlinge von öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen.
Könnten politische Kompromisse über die Zustimmung zur Richterwahl am Landesverfassungsgericht bald Realität werden? In Brandenburg endet die reguläre Amtszeit von sechs der neun Verfassungsrichter 2029, und auch in Thüringen sind alle neun Richterpositionen bis 2029 neu zu besetzen. In Sachsen müssen sieben von neun Richterinnen und Richtern in der neuen Legislaturperiode gewählt werden, jedoch fehlt der AfD eine Stimme zur Sperrminorität.
Politische Kompromisse mit der AfD?
Doch wie könnten solche politischen Kompromisse aussehen? Thomas Gschwend, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim, äußert Skepsis: „Ich sehe ehrlich gesagt keine erkennbaren Anreize, die demokratischen Parteien dazu bewegen könnten, mit der AfD zu kooperieren, während diese gleichzeitig ihre Blockadehaltung aufgibt.“
Juliana Talg, die sich intensiv mit den Herausforderungen populistischer Parteien befasst, warnt vor Kompromissen mit der AfD. Ihrer Meinung nach könnte dies die Wahrnehmung der Partei als normalen Teil des demokratischen Prozesses legitimieren, was ihrer Meinung nach nicht der Realität entspricht.
Johannes Kiess, stellvertretender Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts für Demokratieforschung, befürchtet, dass die AfD die Wahl neuer Richter absichtlich blockieren könnte, um das Verfassungsgericht zu schwächen. Er sieht dies als Teil einer Strategie, das Vertrauen in das demokratische System zu untergraben.
Was passiert ohne Einigung?
Was passiert, wenn keine politischen Kompromisse erzielt werden? Wenn es keine Zweidrittelmehrheit für die Wahl neuer Richter gibt, verbleiben die aktuellen Richter so lange im Amt, bis ein Nachfolger bestimmt ist. Bei plötzlichem Ausscheiden von Richtern stellt sich die Frage der Beschlussfähigkeit des Gerichts.
In Thüringen könnte dies langfristig zur Handlungsunfähigkeit des Gerichts führen, während in Brandenburg Regelungen bestehen, die eine Anpassung der benötigten Richteranzahl ermöglichen.
Ein Beispiel aus Berlin zeigt, dass eine Nachbesetzung der Richterpositionen mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann, was zu einer prekären rechtlichen Situation führen kann.
Ehemalige Richter äußerten Bedenken zur Legitimation der Gerichte und verwiesen auf mögliche Verstöße gegen den gesetzlichen Richter, die durch Verzögerungen bei der Wahl bedingt sind.
Langfristige Einigung notwendig
Langfristig müssen die Parlamente also neue Richter wählen. Politikwissenschaftler Kiess merkt an, dass sich die Zusammensetzung der Landtage künftig verändern könnte. Ein Beispiel für die dynamische politische Landschaft sind die Grünen, die nach der Fukushima-Katastrophe einen Aufschwung erlebten.
Andernfalls wird die AfD künftig bei den Wahlen der Landesverfassungsrichter in Brandenburg, Thüringen und Sachsen eine entscheidende Rolle spielen, was möglicherweise zur Nominierung eigener Kandidaten führen könnte.
Ob Richter, die auf AfD-Ticket ernannt werden, tatsächlich unabhängig urteilen, bleibt eine offene Frage. Fachleute bemängeln, dass bis jetzt keine exzellenten Juristen, sondern vielmehr Politiker der AfD in diesen Ämtern zu finden sind.
Unabhängige Richter mit Parteibuch?
In Deutschland ist es nicht ungewöhnlich, dass Richter parteipolitische Hintergründe haben. Höchste Richter wie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts sind Parteimitglieder, was jedoch nicht zwangsläufig die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen beeinträchtigt.
Gschwend erklärt, dass Richter in der Regel unabhängig entscheiden, was durch die notwendige Zweidrittelmehrheit bei der Wahl unterstrichen wird. Daher haben parteinahe Personen in diesem System wenig Einfluss.
Dennoch bleibt die Diskussion bestehen, ob die Unabhängigkeit auch für Richter mit AfD-Background gewährleistet werden kann. Beobachtungen aus Polen und Ungarn zeigen, dass die Einflussnahme auf die Justiz dort Teil eines umfassenden Reformprozesses war.
“Verpasst, Gerichte resilient zu machen”
Um die Unabhängigkeit der Gerichte zu garantieren, hätten die Landesregierungen proaktive Maßnahmen ergreifen müssen, um Sicherheitsmechanismen einzuführen, die die Einflussnahme politischer Parteien einschränken.
Damit wäre es möglich gewesen, dass eine extremistische Partei nur unter höheren Hürden die Macht erhält, um die Wahl von Verfassungsrichtern zu blockieren und somit die integrativen Funktionen dieser Institution zu wahren.