Das Luftreinhalteprogramm der Bundesregierung basiert auf veralteten Annahmen und erfordert dringende Anpassungen. Die Deutsche Umwelthilfe betrachtet das aktuelle Gerichtsurteil als bedeutenden Fortschritt und plant weitere Schritte.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat heute entschieden, dass die Bundesregierung verstärkt Maßnahmen zur Luftreinhaltung ergreifen muss. Die Richterinnen erklärten, dass das bestehende Luftreinhalteprogramm nicht ausreicht. Das Kabinett muss nun eine effektive Strategie präsentieren, um gesundheitsschädliche Luftschadstoffe signifikant zu reduzieren.
Im Jahr 2019 verabschiedete die Bundesregierung das nationale Luftreinhalteprogramm (NLRP) und aktualisierte es zuletzt am 15. Mai 2024. Die Deutsche Umwelthilfe hatte bereits 2020 Klage gegen dieses Programm eingereicht.
Unzureichende Maßnahmen als Grundlage
Das Konzept stützt sich auf eine EU-Richtlinie, die Mitgliedstaaten zur Verringerung von Luftschadstoffen verpflichtet. Die Staaten sind verpflichtet, nationale Programme zu erstellen, die sicherstellen, dass die festgelegten Grenzwerte für Schadstoffe wie Ammoniak, Stickoxide und Feinstaub eingehalten werden.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass Maßnahmen wie der Kohleausstieg bis 2030, das Gebäudeenergiegesetz und die Euro-7-Norm ausreichen werden, um die europäischen Vorgaben zu erfüllen. Rechtsanwalt Remo Klinger argumentiert jedoch, dass viele der geplanten Maßnahmen unrealistisch sind und nicht in der vorgesehenen Form umgesetzt werden können. Der Verband klagte gegen den Plan und bekam heute weitgehend Recht.
Gericht beanstandet überholte Datenlage
Das Gericht kritisierte die veralteten Annahmen, die dem Programm zugrunde liegen, insbesondere die fehlerhaften Prognosen zur Einführung von Pelletheizungen und dem Abschalten der letzten Kohlekraftwerke in Deutschland. Der vollständige Ausstieg aus der Kohleverstromung ist erst für 2038 geplant.
Auch die Euro-7-Abgasnorm erlaubt höhere Schadstoffwerte für PKW als von der Bundesregierung vorgesehen. Zudem wird angenommen, dass eine staatliche Prämie für Elektroautos weiterhin besteht, obwohl diese Ende 2023 nicht verlängert wurde.
Die Richterinnen beanstandeten, dass die Bundesregierung bei der Aktualisierung des Luftreinhalteprogramms auf veraltete Emissionsdaten aus dem Jahr 2021 zurückgegriffen hat, anstatt den aktuellen Bericht von August 2023 zu berücksichtigen.
Deutsche Umwelthilfe wertet Urteil als Erfolg
Die Deutsche Umwelthilfe betont, dass die neuen Emissionsdaten zeigen, dass die bisherigen Ziele für Stickoxide und Feinstaub nicht ohne zusätzliche Maßnahmen erreicht werden können.
Die Bundesregierung ist jedoch nicht zu bestimmten Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet, sondern muss lediglich ein neues Luftreinhalteprogramm entwickeln, das die EU-Grenzwerte einhält. Die Entscheidungsfreiheit in Bezug auf die spezifischen Maßnahmen bleibt weitgehend unberührt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen wurde. Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, bezeichnet das Urteil dennoch als bedeutenden Erfolg: “Wir haben es geschafft, die Bundesregierung zu konkreten zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu bewegen.”
Weitere Klagen angekündigt
Die Umweltagentur der Europäischen Union stuft Feinstaub als erhebliches Gesundheitsrisiko ein. Berichten zufolge sind in Deutschland im Jahr 2021 rund 32.000 Todesfälle auf zu hohe Feinstaubwerte zurückzuführen. Diese Belastung führt zu schweren gesundheitlichen Problemen, darunter Herzerkrankungen und Atemwegserkrankungen.
Die Deutsche Umwelthilfe plant, durch weitere Klagen nachhaltige Umweltschutzmaßnahmen zu erreichen. Zudem kündigte Resch an, dass Maßnahmen zur technischen Nachrüstung von Dieselfahrzeugen, zur Filterpflicht für Holzheizungen und zur Reduzierung der intensiven Tierhaltung vorangetrieben werden sollen.