Europa erhält erstmals seit dem Kalten Krieg kein russisches Gas mehr über die ukrainischen Pipelines, da das Transit-Abkommen nicht verlängert wurde. Dennoch bleibt Deutschland weiterhin in einem gewissen Maß von russischen Energielieferungen abhängig, die heimlich fortgeführt werden.
Zu Beginn des Jahres 2025 geht eine Ära zu Ende: Die Ukraine hat das Trumpf-Abkommen nicht verlängert, wodurch die Lieferungen von russischem Gas über Sowjet-Pipelines in das Land eingestellt werden. Im Jahr 2023 bezog Europa noch etwa fünf Prozent seiner jährlichen Gasimporte über die Urengoi-Pomary-Uschhorod-Pipeline, die seit den 1980er Jahren Gas aus Sibirien über die Region Sudscha nach Slowakei transportierte, die nun unter ukrainischer Kontrolle steht.
Mit dem faktischen Stillstand der letzten großen Exportroute des Kremls endet die jahrzehntelange Dominanz des europäischen Energiemarktes durch günstiges russisches Gas. Vor der Ukraine-Invasion wurden über die “Bruderschafts”-Pipeline rund 13 Prozent aller russischen Gasexporte nach Europa geleitet. Im Jahr vor der Invasion deckte Russland mehr als 40 Prozent des jährlichen Verbrauchs in Europa ab.
Jetzt bricht diese Ära zu Ende. Nach dem Wegfall des Transits durch die Ukraine wird Moskaus Anteil an den EU-Gasimporten voraussichtlich dauerhaft unter zehn Prozent sinken. “Das ist eine der größten Niederlagen für Moskau”, äußert der ukrainische Präsident. Dies markiert das Ende von Putins energiewirtschaftlicher Kontrolle über den Kontinent, doch bis Europa vollständig unabhängig ist, wird es noch eine Weile dauern.
Putins finanzielle Einbußen
Die energiepolitische Wende hat ihren Preis: Die Importe aus Norwegen (30 %), den USA (20 %), Nordafrika (14 %) und Katar (5 %) sind teurer als frühere russische Lieferungen. Zudem mussten in Deutschland neue LNG-Terminals für zig Milliarden Euro gebaut werden.
Diese Abkehr von Europa trifft den Kreml hart. “Das ist ein historisches Ereignis. Russland verliert seine Märkte und wird finanzielle Verluste hinnehmen müssen”, prognostiziert der ukrainische Energieminister. Schätzungen gehen davon aus, dass Gazprom durch den endgültigen Lieferstopp etwa fünf Milliarden Euro Umsatz einbüßt.
Nach der Invasion versucht Russland, verstärkt in den asiatischen Raum zu exportieren. Laut Prognosen werden die Lieferungen an China in diesem Jahr auf 38 Milliarden Kubikmeter jährlich steigen, was ungefähr dem Niveau der Exporte nach Europa 2023 entspricht. Damit könnte Russland zum führenden Gaslieferanten Chinas aufsteigen.
Russlands Suche nach neuen Märkten
Allerdings gewinnt Russland keinen gleichwertigen Kunden. China nutzt die Situation aus: Mit einem Preisnachlass von etwa 28 Prozent wird Putin gezwungen, seine Gaskäufe zu subventionieren. Dies wird langfristig Auswirkungen auf seinen Finanzhaushalt haben.
Europa wird sich dennoch nicht vollständig von Russland lösen können. Ungarn bleibt ein letztes EU-Land, das weiterhin auf Gaslieferungen aus Moskau setzt, die über die Turkstream-Pipeline geliefert werden. Zugleich bleibt die Abhängigkeit von russischem Öl bestehen, die noch schwerer wiegt. Trotz eines Embargos kauft Russland weiterhin Öl über Umwege, was schließlich wieder auf den europäischen Markt gelangt.
Brüssel plant, bis spätestens 2027 keine Energie mehr aus Russland nach Europa zu importieren. Der neue EU-Energiekommissar hat Maßnahmen angekündigt, um die Abhängigkeit schneller zu verringern. Er strebt strategische Gespräche über zusätzliche LNG-Lieferungen an und möchte ein Embargo gegen russische Flüssiggaslieferungen in die EU bis Mitte März einführen. Widerstand aus Ungarn und der Slowakei ist jedoch zu erwarten. Der Kommissar betont, dass “etwas Neues passieren muss” und plant, den Rest des Jahres so historisch zu gestalten wie den Anfang.