Katja Wolf und Sabine Zimmermann führen die Wagenknecht-Partei BSW in den Landtagswahlkampf in Thüringen und Sachsen. Die Spitzenkandidatinnen stehen vor der Herausforderung, hohe Erwartungen zu managen. Ist ein Regierungsamt in greifbarer Nähe?
Katja Wolf wird demnächst über die aktuellen Umfrageergebnisse sprechen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat zur Kampagnenpräsentation in eine Tischlerei im Norden von Erfurt eingeladen. In Thüringen liegt das BSW vor der Landtagswahl im September bei 20,2 Prozent und liegt damit nur knapp hinter der CDU und klar vor der Linkspartei. Was ist ihr Ziel – das Ministerpräsidentenamt?
Spitzenkandidatin Wolf betont, dass die neue Partei “mit großer Demut um jede Stimme kämpfen” werde. Vertrauen ist schließlich die wichtigste Währung in der Politik. Überdrehte Erwartungen sind hierbei fehl am Platz.
Wunsch nach Veränderung
Bis vor kurzem amtierte Wolf als Oberbürgermeisterin von Eisenach. Die 48-Jährige gilt als gut vernetzt und über Parteigrenzen hinweg anerkannt. Der Wechsel von Wolf zu Wagenknecht traf ihre alte Partei, die Linke, hart. Jetzt beginnt alles von Neuem.
Wolf erklärt, dass das BSW “den Wunsch nach Veränderung und nach einem neuen Politikstil” verkörpere. Sie strebe danach, die “verkrusteten Strukturen der etablierten Erfurter Parteien” zu durchbrechen und das “Experiment Minderheitsregierung” zu beenden, das das Land über fünf Jahre lähmte.
Wolf beabsichtigt, der Partei ein Gesicht zu geben, das sie bereits hat. Obwohl Sahra Wagenknecht in Thüringen nicht auf dem Wahlzettel stehen wird, wird sie durch mehr als die Hälfte der knapp 20.000 BSW-Plakate omnipräsent sein.
Zimmermanns neuer Anlauf
Bei der Kampagnenpräsentation in Sachsen trat Wagenknecht in verschiedentlichen Plakaten auf und formulierte klare Bildungsbotschaften. Auch das Thema “Frieden” steht bei der BSW wieder im Vordergrund.
“Sahras Anziehungskraft ist für unsere Partei von großer Bedeutung”, sagte Sabine Zimmermann, sächsische Spitzenkandidatin des BSW. Sie betont, dass die Anwesenheit von Wagenknecht auf den Plakaten unabdingbar ist.
Auch Zimmermann thematisiert das Vertrauen der Bürger. Den aktuellen Regierenden sei “das Volk verloren gegangen”. Das BSW hingegen genieße das Vertrauen der Menschen, die überzeugt sind, dass ihre Probleme gelöst werden können. In Sachsen liegt das BSW laut Umfragen aktuell bei 15 Prozent.
Bis zu den Hartz-Reformen war Zimmermann eine Sozialdemokratin, bevor sie für PDS und Linke 16 Jahre im Bundestag saß. Sie war Teil des Wagenknecht-Flügels, verlor jedoch vor der Wahl 2021 die Unterstützung ihres Landesverbands und fand sich bald bei der Neugründung wieder.
In ihrem Alter von 63 Jahren hat Zimmermann das BSW in Sachsen fast eigenständig aufgebaut und dafür ihren Nebenjob als Gewerkschafterin aufgegeben.
Partei mit vielen Politik-Neulingen
Die Expertise innerhalb der Partei ist breit gefächert, betonen die Mitglieder. Jörg Scheibe, der Co-Spitzenkandidat von Zimmermann, ist Planungsingenieur und sieht im Bundestag den Verlust des “Realitätsbezugs”.
Katja Wolf hat Steffen Schütz, einen Marketingexperten, und Steffen Quasebarth, einen ehemaligen Fernsehmoderator, an ihrer Seite. Schütz kennt Wolf schon lange und präsentiert sie in Erfurt als “die Nummer eins”.
Die drei Männer eint, dass sie nie in einem Parlament gesessen haben. Die BSW-Listen enthalten viele weitere Politik-Neulinge. Die Unsicherheit darüber, ob die zukünftigen Landtagsfraktionen zusammenbleiben, bleibt.
Die erfahrenen Zimmermann und Wolf müssen die Partei zusammenhalten. Wolf beschreibt den Landtag als “UFO” und benennt die Herausforderungen für Menschen, die an den normalen menschlichen Umgang gewöhnt sind.
Wolf soll Ministerpräsidentin werden
Die Wagenknecht-Partei verfolgt durchaus ambitionierte Ziele. Die Umfragewerte haben das Interesse anderer Parteien, insbesondere der CDU, geweckt. Eine mögliche Koalition könnte die CDU aus der Zwangslage befreien, mit den ungeliebten Grünen zusammenarbeiten zu müssen.
Sahra Wagenknecht war in der Linkspartei für ihre fundamentaloppositionelle Haltung bekannt. Erst seit der Gründung des BSW spricht sie über die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Sie hat jedoch wiederholt CDU-Chef Friedrich Merz kritisiert.
In einem Vorwort zu den Landtagswahlprogrammen schreibt Wagenknecht, dass jede Stimme für die CDU auch “Rückenwind für Friedrich Merz” bedeute, dessen Positionierung zur Ukraine kritisch sei.
Wagenknecht übt Druck aus, um Katja Wolf in Thüringen zum Ministerpräsidenten zu verhelfen. Sie betont, dass, sollte die CDU Unterstützung für das BSW in einem Bundesland wünschen, sie dies auch in einem anderen tun müsse.
Der Vorstoß wurde nicht mit Katja Wolf oder Sabine Zimmermann abgestimmt, dennoch zeigen sie sich gelassen. Wolf bezeichnet Wagenknecht’s Äußerungen als “politisch selbstverständlich und prägnant”.
Wolf: “Ich bin eine echte Alternative”
Katja Wolf und Sabine Zimmermann unterstützen Wagenknechts kritische Haltung gegenüber der Ukraine. Zimmermann hebt hervor, dass “Sahra die Dinge anspricht, die viele Menschen in Deutschland denken”. Wolf erkennt an, dass nicht jeder Satz von Wagenknecht mit ihrer Meinung übereinstimmt; sie plädiert jedoch für Vielfalt an Meinungen.
Zimmermann und Wolf bemühen sich, Bedenken hinsichtlich des BSW auszuräumen. Sie versichern, dass die Partei entschlossen sei, bei Regierungsfragen mitzuwirken und strategische Koalitionsverhandlungen längst im Gange sind.
Sabine Zimmermann sieht sich als Unterstützung für die CDU und deren kritische Positionen zur Ukraine. Gemeinsam könnten CDU und BSW Bundesratsinitiativen starten und die “sächsischen Interessen” in Berlin vertreten.
Katja Wolf hingegen ist an Konfrontation interessiert. Sie kritisiert die aktuellen Politiker im Erfurter Landtag und sieht sich selbst als “echte Alternative” für das Ministerpräsidentenamt.