Analyse
Im Fokus der Ereignisse der letzten Monate steht Innenministerin Faeser, die mehrere Organisationen verboten, Abschieberegeln verschärft und die Grenzkontrollen wieder eingeführt hat. Ihre Kommunikationsstrategie hat dabei oft den Eindruck der Unsicherheit erweckt.
Die Bundesinnenministerin, in einem schwarzen Blazer und einer weißen Bluse, gerichtet auf die Kamera, kündigte das Verbot des rechtsextremistischen Compact-Magazins und eine Woche später das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) an.
Diese wichtigen Entscheidungen wurden in zwei voraufgezeichneten Videobotschaften mitgeteilt, während die Ministerin auf Pressekonferenzen und öffentliche Auftritte verzichtet, bedingt durch eine Fußverletzung. Direkte Nachfragen zu den Verboten blieben somit aus, obwohl Faeser normalerweise offen für solche Anfragen ist.
Diese beiden Verbote stehen jedoch in einem komplexen Spannungsfeld zwischen innerer Sicherheit und Grundrechten. Während der eine Fall die Pressefreiheit betrifft, geht es im anderen um Religionsfreiheit. In beiden Fällen gibt es wichtige Fragen, die eine Antwort von der Ministerin verdienen würden.
Besonders relevant ist die Frage: Inwieweit wurde hier der Pressefreiheit Rechnung getragen? Im Fall des IZH stellt sich die Frage, warum das Verbot so lange auf sich warten ließ, obwohl der Hamburger Verfassungsschutz das Zentrum bereits seit den 1990er-Jahren beobachtet.
Causa Schönbohm
Auch ihre Kommunikation im vergangenen Jahr wirkte oft unkoordiniert. Als Spitzenkandidatin war sie im Hessen-Wahlkampf tätig, während sie gleichzeitig als Innenministerin in Berlin blieb. Die Union nutzte dies, um Sondersitzungen im Innenausschuss zur Causa Schönbohm einzuberufen – dem entlassenen Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik.
Schönbohms Abberufung sorgte für Kontroversen, während Vorwürfe aufkamen, dass Faeser den Verfassungsschutz möglicherweise dazu benutzt habe, belastendes Material über ihn zu sammeln. Anfänglich sträubte sich die Innenministerin gegen die Sondersitzungen, bis der Druck zu groß wurde. Das führte dazu, dass die Opposition die Ministerin Wochen lang mit diesem Thema konfrontierte.
Grenzkontrollen
Das Thema Grenzkontrollen hat ähnliche Schwierigkeiten hervorgebracht. Die Union verlangte über Monate hinweg die Wiedereinführung der Kontrollen an den Grenzen. Ministerin Faeser gab wiederholt an, ihre Position sei “unverändert”, während sie die Situation an den Grenzen beobachte und Kontrollen innerhalb der Europäischen Union als “ultima ratio” bezeichnete.
Schließlich änderte sie jedoch schrittweise ihre Haltung, was zu Verwirrung führte, einschließlich der Einführung von “flexiblen Schwerpunktkontrollen”, die zuvor niemand gehört hatte und deren Erklärung auf sich warten ließ.
Letztlich wurden die Grenzkontrollen, wie von der Union gefordert, an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz eingeführt und bestehen weiterhin bis Mitte Dezember 2024.
Abschiebungen
Auch beim Thema Abschiebungen steht Faeser unter Druck, sowohl von den Bundesländern als auch vom Kanzler, der “Abschiebungen im großen Stil” fordert. Zuletzt wird auch eine Rückführung nach Syrien und Afghanistan diskutiert.
Die Ministerin teilte nach den jüngsten Ankündigungen des Kanzlers mit, dass man nach Wegen suche, auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben, wobei Gespräche mit Nachbarländern geführt werden. Aufgrund der sicherheitsrechtlichen Lage und fehlender diplomatischer Kontakte fanden jedoch keine Abschiebungen statt.
Parallel arbeitet das Innenministerium kontinuierlich an Anpassungen des Aufenthaltsrechts, das sich zu einer kaum zu überblickenden Herausforderung entwickelt hat. Experten tun sich zunehmend schwer, den Überblick über die laufenden Änderungen zu behalten.
Insbesondere die Liste der Ausweisungsgründe wird stetig länger. Kurz nach den jüngsten Änderungen kündigte Faeser bereits einen weiteren Vorschlag an, der die Verherrlichung terroristischer Straftaten im Internet als Grund für eine Ausweisung in Betracht zieht.
Dieser Vorschlag wurde in einer Pressekonferenz vorgestellt, die eine Möglichkeit zu Rückfragen bot. Allerdings sorgte dies für mehr Verwirrung, da unklar blieb, ob bereits ein Like in sozialen Netzwerken zu einer Ausweisung führen könnte oder ob ein eigener Hasskommentar erforderlich wäre, wie Faeser in einer Nachfrage erklärte.
Innenministerin FaeserProjekt tritt mit einem starken Drang auf, sich als durchsetzungsstarke Ordnungshüterin zu präsentieren. Fragen zu ihrer Haltung gegenüber Extremisten beantwortet sie mit der Ankündigung, diese “mit aller Härte” zu bekämpfen und gegen Gewalttäter “Null Toleranz” zu zeigen.
Asylverfahren in Drittstaaten
Die Ministerpräsidenten der Union haben zudem gefordert, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union zu ermöglichen – ein Vorschlag, dem Faeser bisher nicht nachgegeben hat.
Stattdessen äußerte sie nach der Vorstellung der Ergebnisse einer Sachverständigen-Anhörung überraschend konstruktiv, dass Asylverfahren in Drittstaaten “ein Bausteinchen” darstellen könnten, jedoch keine wesentliche Änderung der Migrationslage bewirken würden.
Das Innenministerium hat die Ministerpräsidenten bezüglich der Vereinbarkeit einer Drittstaatenlösung mit internationalem und europäischem Recht befragt, was jedoch mehrere Monate dauerte.
Der Sachstandsbericht zog ein “vorläufiges Fazit”, dass eine Drittstaatenregelung theoretisch möglich, aber praktisch schwierig sei. Ob es tatsächlich Länder gibt, die für ein solches Modell bereit wären, wurde nicht näher untersucht.
Viele Ankündigungen
Innenministerin Faeser hat zahlreiche Ankündigungen gemacht, die jedoch oft auf sich warten lassen. So bleibt die Implementierung der IP-Adressenspeicherung vage: “zeitnah” soll sie erfolgen.
Die angekündigten Befugnisse für das Bundeskriminalamt zur Cyberabwehr sowie für den Verfassungsschutz zur Aufdeckung finanzieller Ströme von Extremisten stehen ebenfalls noch aus, mit Ankündigungen “demnächst” oder “nach der Sommerpause”.
Der seit Monaten erwartete Gesetzentwurf zum Schutz kritischer Infrastruktur vor Angriffen und Naturkatastrophen ist noch immer nicht vorgelegt worden.
Auch die Pläne zur Änderung des Grundgesetzes, um dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine koordinierende Rolle zu geben, wurden zuletzt kaum angesprochen.