Landespolitiker von CDU, SPD und BSW setzen Sondierungen für mögliche Koalitionen in Sachsen und Thüringen aus – Erhebliche Spannungen zeichnen sich ab.
Die SPD in Sachsen hat am Freitagnachmittag die Sondierungen mit BSW und CDU ausgesetzt. Der Grund sind Uneinigkeiten im Abstimmungsverhalten der Wagenknecht-Partei im Landtag, die klärungsbedürftig sind.
Bei der Abstimmung kam es zu einer ungewöhnlichen Situation. Die Abgeordneten sollten zunächst über die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses abstimmen, bevor ein Antrag des BSW für einen weiteren Ausschuss diskutiert wurde. CDU und SPD äußerten Bedenken, kritisierten jedoch den möglichen Koalitionspartner nur mild, während Sören Voigt von der CDU das BSW lobte.
Die Freundlichkeit in der Debatte täuscht über die internen Spannungen hinweg. Diverse BSW-Abgeordnete stimmten für den Antrag der AfD, was in der SPD als problematisch angesehen wird. Zudem wurde die Rhetorik von BSW-Chefin Sabine Zimmermann von einigen in der SPD als Angriff auf die eigenen Minister gewertet.
Das Aussetzen der Gespräche in Sachsen stellt den nächsten kritischen Teil eines sich wiederholenden Konflikts dar, bei dem sich die politischen Parteien mehrfach aneinanderreiben.
Thüringen ringt um “Friedensformel”
In Thüringen erklärte das BSW kürzlich, dass es ein mühsam erarbeitetes Sondierungspapier mit CDU und SPD akzeptiert, jedoch eine gemeinsame “Friedensformel” erarbeiten möchte, insbesondere in Bezug auf die Ukraine-Politik.
Parteichefin Sahra Wagenknecht forderte, dass sich die CDU von den Positionen ihres Parteichefs Friedrich Merz in Bezug auf die Ukraine distanzieren solle. Dies wird als Eingriff in die Entscheidungsfreiheit anderer Parteien gesehen.
Diese Konfrontation folgte auf eine Rede von Merz, in der er Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine ansprach. Wagenknecht sieht hierin einen möglichen Kriegseintritt Deutschlands, was von der Bundes-SPD und -CDU als Erpressungsversuch zurückgewiesen wurde.
Gespräche auf der Kippe
Innerhalb der BSW-Spitze wird die Aufregung um Wagenknechts Aussagen nicht nachvollzogen. Es wird argumentiert, dass auch Merz enge Vorgaben für seine Mitglieder formuliert hat und seine Rede zur Erwiderung einlud.
Das BSW setzt sich dafür ein, dass seine Forderungen bezüglich des Endes von Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden. CDU und SPD möchten eher bei diplomatischen Lösungen bleiben, da bundespolitische Fragen nicht auf Landesebene entschieden werden.
Dennoch bleibt das BSW hartnäckig und betont, dass das Thema Frieden nicht mit einem faulen Kompromiss weggeworfen werden kann. Beteiligte aus Thüringen sind optimistisch, dass eine pragmatische Lösung möglich ist.
Seit Montag sind die Parteien in Thüringen dabei, eine Einigung zu finden, jedoch bleibt ein überzeugender Vorschlag von Wagenknecht bis Freitag aus.
Während die drei Parteien noch mindestens ein weiteres Gespräch planen, scheinen die Verhandlungen auf der Kippe zu stehen. Ein Verhandler lässt verlauten, dass jetzt auch alternative Koalitionsmöglichkeiten erwogen werden müssen.
Wie geeint ist das BSW?
Das BSW sieht sich auch dem Gerücht ausgesetzt, dass sich Wagenknechts Landesverbände selbstständig machen könnten. Katja Wolf heizte diese Spekulation an, nachdem sie weitere Verhandlungen gefordert hatte.
Die Thüringer BSW-Chefin äußerte, dass Wagenknecht sich auf die Bundestagswahl konzentriert und fürchtet, dass der pragmatische Ansatz in Thüringen ihren Wahlkampf stören könnte. Ähnliche Bedenken äußerte Sabine Zimmermann, die sächsische BSW-Chefin. Beide distanzieren sich jedoch von einem Bruch mit Wagenknecht.
Zudem hat Wagenknecht sich gegen die Tolerierung einer Regierung durch das BSW ausgesprochen, was interne Alarmglocken läuten lässt und die Gefahr politischer Instabilität im Freistaat aufzeigt.
Eine Regierungsbeteiligung in drei Bundesländern würde dem BSW hingegen die Möglichkeit geben, seine Politik in der Praxis zu demonstrieren und könnte der Partei einen Aufschwung in der Bundestagswahl bescheren.
Krisentreffen in Dresden
Auffällig ist, dass Wagenknecht scheinbar unterschiedliche Maßstäbe für Sachsen und Thüringen anlegt. Während das Thüringer Sondierungspapier eine klare Position zum Thema “Frieden in Europa” beinhaltet, wird das Thema im sächsischen Dokument nur als drängende Frage erwähnt. Hier intervenierte Wagenknecht jedoch nicht.
Ein Grund könnte sein, dass in Sachsen zu diesem Zeitpunkt lediglich Kennenlerngespräche stattfanden und die Sondierungen erst diese Woche gestartet wurden, mit einer Frist bis Anfang November für die Arbeitsgruppen.
Laut sächsischer Verfassung muss bis Anfang Februar ein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Sollte es zu einem Scheitern der Gespräche kommen, könnte CDU-Chef Michael Kretschmer Neuwahlen fordern. Eine mögliche Lösung könnte eine CDU-SPD-Minderheitsregierung mit Tolerierung durch das BSW sein. Am Montag werden die Landesleitungen der drei Parteien erneut die Fortsetzung der Sondierungen beraten.
In Brandenburg rückt Ergebnis näher
Inmitten dieser politischen Turbulenzen wird fast übersehen, dass auch Brandenburg eine neue Landesregierung benötigt. Hier führen nur SPD und BSW gemeinsame Sondierungen. Die Verhandler halten sich bisher bedeckt, äußern sich höchstens über die positive Gesprächsatmosphäre, ohne auf Inhalte einzugehen.
Die Treffen sollen möglichst unbeeinflusst von den Vorgängen in Thüringen und Sachsen ablaufen. Nach mehreren Gesprächen zeichnet sich jedoch auch in Potsdam eine Entscheidung ab.