Immer weniger Paare und Singles haben Sex – ein Problem, das nicht nur individuelles Interesse betrifft, sondern vor allem durch Stress, Ängste und die Digitalisierung bedingt ist. Psychologin Juliane Burghardt beleuchtet die Ursachen für diesen Rückgang und mögliche Lösungsansätze.
Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass lediglich ein Drittel der unverheirateten Paare mehrere Male pro Woche Sex haben, während nur etwa 19 Prozent der verheirateten Paare dies tun. Alarmierend ist die Zahl der Singles, bei denen nur rund 12 Prozent aktiv Sex haben. Außerdem geben 17 Prozent der Befragten in Partnerschaften und 39 Prozent der Singles an, keinen Sex zu haben.
Diese Statistiken spiegeln einen globalen Trend wider: Menschen haben in westlichen Gesellschaften deutlich weniger Sex als noch vor 15 oder 20 Jahren. Burghardt untersucht die gesellschaftlichen Entwicklungen und stellt fest, dass Stress und eine fehlende soziale Verbindung die Voraussetzungen für eine gesunde Sexualität mindern.
Ein weiterer Faktor ist die sinkende Anzahl stabiler Partnerschaften. Studien zeigen, dass Menschen in Beziehungen erheblich aktiver sind als Singles. Während die Mehrheit der Verheirateten angibt, einmal pro Woche intim zu sein, liegt der Durchschnitt bei Singles unter einmal im Monat.
Digitalisierung als Hemmnis
Die Zunahme von psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Burnout mindert zusätzlich das sexuelle Verlangen. Dies geschieht sowohl durch die Erkrankungen selbst als auch durch die negativen Effekte von Medikamenten wie Antidepressiva. Weniger Alkoholkonsum reduziert ebenfalls die sexuellen Treffen, was jedoch als positiver Aspekt gewertet werden kann, da Alkohol oft die Qualität des Erlebnisses mindert.
Burghardt sieht in der Digitalisierung einen wesentlichen Grund für die abnehmende Intimität. Die ständige Ablenkung durch Smartphones schränkt die gemeinsame Zeit und emotionale Nähe ein. Zudem kann der Konsum von Pornografie sowohl Stimulation bringen als auch die Intimität verringern, da die Erwartungshaltung an sexuelle Begegnungen unrealistisch wird.
Das Bedürfnis nach mehr Intimität
Trotz der Rückgänge gibt es einen klaren Wunsch nach mehr Sexualität. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie gerne häufiger Sex hätten. Besonders auffällig sind junge Single-Frauen, von denen drei Viertel diesen Wunsch äußern.
Burghardt betont, dass das Verständnis für weibliche Sexualität in heterosexuellen Beziehungen entscheidend ist. Männer müssen lernen, dass der Fokus nicht nur auf penetrativem Sex liegt. Zufriedenheit wird oft nur erreicht, wenn beide Partner glücklich sind, was oft übersehen wird.
Gemeinsame Zeit als Schlüssel
Der Wunsch nach mehr Sexualität hängt auch mit den unterschiedlichen Motiven für Intimität zusammen. Oft geht es nicht nur um puren Sex, sondern auch um emotionale Bindung, Vergnügen oder sogar als Mittel zur Konfliktlösung. Um die sexuelle Beziehung zu fördern, müssen Paare ihre Bedürfnisse offen kommunizieren und Zeit füreinander schaffen.
Burghardt rät dazu, Ablenkungen wie Handys zu vermeiden und sich neu zu entdecken. Letztendlich sei die Sexlosigkeit ein Hinweis auf tieferliegende Probleme in der Beziehung und dem gesellschaftlichen Zusammenleben. Ein gemeinsames Engagement für mehr Zeit miteinander könnte helfen, die Intimität zurückzugewinnen.