INTERVIEW
Um der AfD Paroli zu bieten, müssen SPD und Union versuchen, Wähler unter 50 wieder besser zu erreichen, so die Politologin Reuschenbach. Nach den jüngsten Wahlen im Osten analysiert sie die Situation des BSW.
FRAGE: Geht der Wahlerfolg der Sozialdemokraten auf die SPD als Partei oder auf Ministerpräsident Dietmar Woidke zurück?
Reuschenbach: Die Ergebnisse der Wahlen zeigen klar, dass Woidke der zentrale Grund für die Wahl der SPD in Brandenburg war. Viele Wähler gaben an, dass sie im Wesentlichen für eine starke AfD verhindern wollten und nicht aus Überzeugung für die SPD gestimmt hatten. Der knappe Wahlsieg ist also ein Erfolg der brandenburgischen SPD und weniger der Bundes-SPD.
FRAGE: Woidke hat sich im Wahlkampf bewusst von der Ampelkoalition im Bund distanziert. Wie bewerten Sie das?
Reuschenbach: Das ist in der Politik nicht unüblich. In polarisierten Themen haben viele Parteien versucht, sich von der Bundespolitik zu lösen, um lokal zu mobilisieren. Auch wenn die Bundespolitik einen großen Einfluss hat, können Landesverbände in bestimmten Situationen auch eigene Akzente setzen und sich abgrenzen, insbesondere in spezifischen Politikbereichen.
Woidke hat sich inhaltlich von der Bundes-SPD abgegrenzt, beispielsweise in der Ukraine-Politik und der Bauernproteste. Das gibt dem Landesverband Freiräume, die wichtig sind, um die Wahl zu gewinnen.
“Wird die Zusammenarbeit noch einmal schwerer gestalten”
FRAGE: Was bedeutet der Wahlausgang für die Koalition auf Bundesebene?
Reuschenbach: Die SPD kann sich kurzfristig über diesen wichtigen Sieg freuen, dennoch wird die Zusammenarbeit in der Bundesregierung weiterhin herausfordernd sein. Das schlechte Abschneiden der FDP und Grünen in Brandenburg wird die Kooperation erschweren und den Bundeskanzler stärker unter Druck setzen.
FRAGE: Wie beurteilen Sie den Zuwachs der AfD? Wird dies als Ostphänomen betrachtet?
Reuschenbach: Auf keinen Fall. Die AfD gewinnt auch in Westdeutschland an Zustimmung, wie die Wahlergebnisse in Hessen und Bayern zeigen. Besonders bei jungen Menschen kann die AfD Erfolge verbuchen, indem sie Themen anspricht, die Ängste hervorrufen. Das stellt eine Herausforderung für die anderen Parteien dar, vor allem im Hinblick auf die älteren Wähler.
2019 für die Grünen “ein Ausreißer nach oben”
FRAGE: Die Wahl war eine herbe Niederlage für Grüne und FDP. Woran liegt das?
Reuschenbach: Diese Wahlergebnisse sind im Kontext der Geschichte der Grünen in Brandenburg zu sehen, die traditionell schwach abschneiden. Eine Ausnahme bildete 2019, als der Klimaschutz im Fokus stand. Die aktuelle Abwertung könnte mit der bundespolitischen Performance zusammenhängen, die kaum durch die Landesverbände beeinflusst werden konnte.
Es ist unwahrscheinlich, dass eine Zusammenarbeit der CDU in Form eines dritten Partners zustande kommt, da es für sie nicht notwendig ist, in der aktuellen Situation zu agieren.
“Auch für uns in der Politikwissenschaft eine Besonderheit”
FRAGE: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erzielt 13,5 Prozent. Was sind die Gründe dafür?
Reuschenbach: Der rasante Aufstieg der BSW innerhalb von nur neun Monaten ist bemerkenswert und ein Novum in der Politikwissenschaft. Es zeigt sich, dass sie Wähler aus dem Spektrum der Linken mobilisieren können, was auf ein starkes Interesse an Themen wie Außen- und Ukraine-Politik hinweist.
Es bleibt abzuwarten, wie die BSW mit den Herausforderungen einer Regierungsbeteiligung umgehen wird. Regieren erfordert Kompromisse, und es wird spannend zu beobachten, ob sie sich in dieser neuen Rolle etablieren können.
“Man kann das CDU-Ergebnis nicht Merz zuschieben”
FRAGE: Die CDU erzielt das schlechteste Ergebnis in Ostdeutschland, kurz nachdem Friedrich Merz als Kanzlerkandidat verkündet wurde. Was bedeutet das für die Bundespolitik?
Reuschenbach: Das schlechten Ergebnis kann nicht allein Merz zugeschrieben werden, da er sich im Wahlkampf engagiert hat. Allerdings zeigt das Ergebnis, dass er offenbar keinen Rückenwind aus Berlin für den brandenburgischen Landesverband mitbringen konnte.
Letztlich war es ein Duell zwischen SPD und AfD, mit starker Mobilisierung der SPD, während die CDU weniger Wähler mobilisieren konnte.
“Skepsis – aber eben keine Alternativen”
FRAGE: Alle Parteien haben eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. Wie könnte die Koalitionsbildung nun aussehen?
Reuschenbach: Es gibt nur eine Koalitionsoption, die eine Mehrheit haben könnte: ein Bündnis aus SPD und BSW. Es wird spannend zu sehen, ob beide Parteien ohne Probleme zusammenfinden, da es große Skepsis unter den SPD-Anhängern gibt.
Eine Kooperation mit der CDU ist unwahrscheinlich, da sie in der aktuellen Situation keine Notwendigkeit dafür sehen. Die Koalitionsgespräche in Brandenburg stehen also vor Herausforderungen, ähnlich wie in Sachsen.