Demonstrationen gegen Barnier
Macrons neuer Premier schürt Wut bei Linken
08.09.2024, 05:08 Uhr
Nach den Parlamentswahlen in Frankreich sind die linke Parteienbündnisse in Aufruhr. Die Ernennung des konservativen Michel Barnier zum neuen Premierminister durch Präsident Emmanuel Macron hat landesweit für Proteste gesorgt.
Berichten des Innenministeriums zufolge haben mehr als 100.000 Menschen in Frankreich gegen Barnier demonstriert, darunter 26.000 allein in Paris. Auch in vielen anderen Städten, wie Nantes, Nizza, Marseille und Straßburg, wurden die Stimmen der Protestierenden laut, die gegen die Regierungsübernahme des 73-jährigen Ex-EU-Kommissars und gegen Präsident Macron gerichtet waren.
Obwohl die Linke bei den Parlamentswahlen im Juli als stärkste Kraft hervorging, gelang es ihr nicht, eine Mehrheit zu bilden. Stattdessen strebte das Linksbündnis unter der relativ unbekannten Politikerin Lucie Castests die Bildung einer Regierung an. Präsident Macron entschied jedoch, Barnier zu ernennen.
Die rechtspopulistische Partei von Marine Le Pen, der Rassemblement National (RN), verzichtete zunächst auf ein Misstrauensvotum und kündigte an, die erste Regierungsansprache Barnier abzuwarten. RN-Chef Jordan Bardella erklärte, Barnier sei ein Regierungschef “unter Beobachtung”.
Die Linke betrachtet Barnier als einen Minister unter Le Pens Einfluss und wirft Macron vor, einen “Staatsstreich” zu inszenieren. Barnier betonte, dass er offen sei für Minister aus allen politischen Lagern, auch von der Linken. Gleichzeitig wies er die Vorwürfe eines Staatsstreichs entschieden zurück und nannte seine Aufgabe einen “Aktionsplan zum Regieren”, wobei er die ernsthafte finanzielle Lage des Landes erwähnte.
Rücktrittsforderungen gegen Macron
Marine Tondelier, die Vorsitzende der Grünen, bezeichnete Macrons Angebot als “keine Kohabitation, sondern eine Provokation”. Der linke Politiker Jean-Luc Mélenchon, der La France Insoumise (LFI) anführt, hatte zu den Protesten in Paris aufgerufen und behauptet, “die Wahl sei gestohlen worden.” Eine Vertreterin der LFI sprach von 300.000 Teilnehmenden, davon 160.000 allein in Paris.
Die Wut der Demonstranten richtete sich auch gegen Macron, und es wurden Rücktrittsforderungen laut. “Die Fünfte Republik bricht zusammen”, sagte eine Demonstrantin. “Wählen ist sinnlos, solange Macron an der Macht ist”, fügte ein 21-Jähriger in Paris hinzu.
Die Rücktrittsforderungen, die von der LFI und studentischen Gewerkschaften geäußert wurden, fanden jedoch nur begrenzten Rückhalt im linken Lager. Weder die großen Gewerkschaften noch die Sozialistische Partei unterstützten die Proteste, und nur wenige Abgeordnete stimmten für einen Absetzungsantrag gegen den Präsidenten.