Exklusiv
Das Finanzministerium gerät wegen Zeitungsanzeigen zur Schuldenbremse unter Druck. Fragen zur Rolle von Minister Lindner und möglichen Konflikten mit der FDP werden laut. Ein Rückzieher des Ministeriums scheint unausweichlich.
Kurz vor der Europawahl sorgten Zeitungsanzeigen des Finanzministeriums für Aufsehen. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung warb das Ministerium, das von der FDP geführt wird, für die Schuldenbremse.
Die prominente Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger äußerte Bedenken und nannte die Werbung unangemessene Regierungskommunikation. Diese Art von Meldung sei vor einer Wahl in der Regel nicht zulässig.
Auch die Möglichkeit illegaler Parteienfinanzierung steht im Raum. Laut Schönberger könnte die Anzeige des Finanzministeriums so nah an den Positionen der FDP liegen, dass man möglicherweise von illegalen Parteispenden sprechen könnte.
“Wie am Dienstag mit Minister Lindner besprochen”
Entscheidend ist, ob Christian Lindner als Bundesfinanzminister vorab von der Anzeige Kenntnis hatte. Die Frage: War die Anzeige zu sehr auf die FDP abgestimmt, und war Lindner an der Gestaltung beteiligt? Das Ministerium äußerte sich nicht konkret zur Einbindung des Finanzministers in die Entwicklung der Anzeigen, gab jedoch an, er sei mit dem Vorschlag, an den Jahrestag der Schuldenbremse zu erinnern, vertraut gewesen.
Diese Informationen legen nahe, dass Lindner zwar informiert war, jedoch nicht direkt in den Erstellungsprozess eingebunden.
Ein kürzlich aufgedeckter E-Mail-Verkehr deutet jedoch auf eine andere Situation hin. Am 11. April genehmigte ein Mitarbeiter des Ministeriums die Kosten für die Anzeigen und fügte hinzu: “Bitte senden Sie die beiden neuen Varianten der FAZ-Anzeige, wie am Dienstag mit Minister Lindner besprochen.”
Lindner enger in Prozess eingebunden
Das Finanzministerium bestätigt nun auf Nachfrage, dass Lindner in die grundlegenden strategischen Fragen der Öffentlichkeitsarbeit des BMF eingebunden war. Er nahm an einem Termin mit der zuständigen Agentur am 9. April 2024 teil, wo zukünftige Schwerpunkte der Öffentlichkeitsarbeit besprochen wurden.
Diese Termine dienten dazu, auch konkrete Maßnahmen zu besprechen, die aus Agenturvorschlägen resultieren könnten. Ein Sprecher erklärte, dass der komplexe Themenbereich der Schuldenbremse an diesem Tag zur Sprache kam.
Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung
Für die Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger könnten die neuen Informationen aus dem Finanzministerium entscheidend sein. Lindners Präsenz beim Agentur-Pitch würde den Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung unterstützen. “Ist Lindner bei einem Termin anwesend gewesen, wo die Anzeigen besprochen wurden, wird seine doppelte Rolle zum Problem”, erklärte sie.
So ließen sich die Rollen des Finanzministers und FDP-Chefs im Wahlkampf nicht mehr klar trennen. “Die Anzeige in FDP-Optik könnte ihm zur Last gelegt werden”, so Schönberger.
Für die FDP könnte es teuer werden
Kommt die Bundestagsverwaltung zu dem Schluss, dass es sich um illegale Parteienfinanzierung handelt, könnte es für die FDP teuer werden. Das Ministerium muss in solchen Fällen mit einer Strafe rechnen.
Bei nachgewiesenen Verstößen verhängt die Bundestagsverwaltung in der Regel eine Strafzahlung in dreifacher Höhe der illegalen Spende. Die beiden Anzeigen kosteten insgesamt 46.367,74 Euro, was eine mögliche Strafe von 139.103,22 Euro zur Folge haben könnte.
Auch bleiben viele Fragen offen. Warum mussten nach dem Treffen mit Lindner die Anzeigenmotive neu erstellt werden? Diese Frage hat das Ministerium bislang nicht beantwortet, ebenso wenig wie nach möglichen Ministervorlagen oder Themen, die am 9. April besprochen wurden.
Linke klagt gegen Lindner
Auch aus Karlsruhe droht Ungemach für den Finanzminister. Die Partei Die Linke hat beim Bundesverfassungsgericht ein Organstreitverfahren eingeleitet. Sie beantragt festzustellen, dass das Finanzministerium mit den Anzeigen das Recht auf Chancengleichheit der Parteien verletzt hat.
Sollte das Gericht dieser Auffassung folgen, könnte Lindner vor dem Bundesverfassungsgericht eine Niederlage drohen.