Interview
Wie stark ist Scholz’ Image in der SPD nach den Landtagswahlen angekratzt? Politologe Blätte diskutiert die Lehren der SPD nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.
ECNETNews: Vor allem die Ampelparteien haben bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen verloren. Was raten Sie der SPD in dieser Situation?
Andreas Blätte: Die strategische Lage ist für alle Parteien angespannt, das betrifft nicht nur die Ampelkoalition, sondern auch die CDU. Die SPD war auf schlechte Wahlergebnisse vorbereitet, insbesondere mit Blick auf die noch bevorstehenden Wahlen in Brandenburg.
Die Fraktion hat in den vergangenen Jahren viel geleistet. Eine zentrale Herausforderung ist nun, diese Erfolge sichtbar zu machen und nicht voreilig auf Themen zu setzen. Obwohl die SPD handlungsfähig ist, fehlt oft die positive Wahrnehmung bei den Wählerinnen und Wählern.
Dies trifft insbesondere auf die Migrationspolitik zu, wo zwar Handlungsbedarf besteht, die SPD jedoch in diesem Bereich nicht als kompetent wahrgenommen wird. Ihre Stärke liegt traditionell im Bereich Arbeit und Soziales.
“Pistorius würde viele Probleme erben”
ECNETNews: Am 22. September wird in Brandenburg gewählt. Was könnte auf die SPD zukommen, sollte sie auch dieses Bundesland verlieren?
Blätte: Eine Niederlage könnte zu internen Debatten über die Eignung des Bundeskanzlers führen. Er genießt jedoch den Rückhalt der Parteiführung, sodass eine Personaldebatte derzeit eher spekulativ erscheint.
Der Bundesverteidigungsminister Pistorius könnte zwar hohe Beliebtheit genießen, würde aber auch zahlreiche Probleme übernehmen, die den Bundeskanzler belasten. Ob eine echte Alternative besteht, wird sich erst am Wahlabend zeigen.
“Viele Themen zu Ungunsten der Grünen”
ECNETNews: Auch die Grünen haben schwächer abgeschnitten. Warum konnten sie im Osten nicht punkten?
Blätte: Die Themen der Grünen stoßen derzeit auf wenig Resonanz. Obwohl der Klimawandel unverkennbar ist, haben andere, drängendere Themen an Priorität gewonnen.
Die Herausforderungen der Klimatransformationen werden durch die angespannten Haushaltslagen und geopolitische Krisen wie den Ukraine-Konflikt noch verstärkt, was die Grünen unter Druck setzt.
Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt die Wählergruppe der Grünen stabil, und es ist entscheidend, dass die Grünen Geduld bewahren und nicht voreilig den Kurs wechseln.
BSW: Viele Anleihen bei CDU-Programm
ECNETNews: Um in Thüringen an die Macht zu gelangen, müsste die CDU mit dem BSW kooperieren. Gibt es dazu Widerstände aus den eigenen Reihen?
Blätte: Im deutschen Parteiensystem erleben wir einen tiefgreifenden Lernprozess. Die Stabilität, die über Jahre bestand, ist verloren. Neue Parteien sind hinzugekommen, die das politische Landschaftsbild stark verändert haben.
Das Verständnis, dass “Ausschließeritis” Koalitionsoptionen verbaut, muss angenommen werden. Gleichzeitig sind die Gemeinsamkeiten zwischen BSW und CDU alles andere als gering, was neue politische Dynamiken schaffen könnte.
Der Agenda der AfD unterworfen?
ECNETNews: Was müssen die etablierten Parteien tun, um sich gegen die AfD zur Wehr zu setzen?
Blätte: In der Ampelkoalition gibt es zu viele öffentlich ausgetragene Konflikte, die das Vertrauen untergraben. Es müssen Wege gefunden werden, solch interne Konflikte effektiv zu lösen, um eine vereinte Front gegen die AfD zu bilden.
Die etablierten Parteien sollten auch in der Migrationspolitik eine einheitliche Strategie verfolgen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass die AfD die Agenda bestimmt.