Nach der Ankündigung von Kanzler Scholz, US-Mittelstreckenraketen ab 2026 in Deutschland zu stationieren, gibt es Widerstand innerhalb der SPD. Viele Mitglieder kritisieren die mangelnde Diskussion über diesen weitreichenden Schritt.
“Wir sind hier nicht im Vatikan. In der SPD diskutieren wir Fragen von Krieg und Frieden.” Der SPD-Politiker Ralf Stegner bringt die Situation auf den Punkt. Er betont, dass Olaf Scholz keine unfehlbare Entscheidungsgewalt hat.
Stegner kritisiert, dass die Entscheidung zur Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen ohne eine vorhergehende parteiinterne Diskussion getroffen wurde. Viele Genossen sind der Meinung, dass solch eine bedeutende Entscheidung einer gründlichen Debatte bedurft hätte.
Der Kanzler begründet den Schritt mit der Notwendigkeit, eine Fähigkeitslücke in der Verteidigung gegenüber Russland zu schließen.
Fähigkeitslücke des Bundeskanzlers?
Viele Sozialdemokraten sehen die Fähigkeitslücke eher bei Kanzler Scholz selbst, da er nicht klar kommuniziert, was die Stationierung von US-Waffensystemen in Deutschland bedeutet. Dazu gehören Tomahawk-Marschflugkörper, SM-6-Mehrzweckraketen und die sich in der Entwicklung befindende Hyperschallrakete Dark Eagle.
“Das Problem sind nicht die Waffen, sondern die Gespräche mit den Russen, die wir führen sollten”, sagt Stegner. Scholz hingegen sieht die Lage anders und betont, dass die Entscheidung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Die Botschaft des Kanzlers bleibt jedoch klar: Die Stationierung soll einen Krieg verhindern.
Auch für die SPD-Spitze ist die Sache entschieden
Die SPD-Spitze bemüht sich, den internen Konflikt einzudämmen. Parteichefin Saskia Esken versichert, dass eine umfassende Diskussion im Bundestag und in der SPD stattfinden wird.
Generalsekretär Kevin Kühnert, aktuell im Landtagswahlkampf, äußert sich gelassen zur Entscheidung. Er erwartet, dass Scholz nach dem Sommerurlaub die Beweggründe näher erläutert. Gleichzeitig erkennt die SPD-Spitze, dass die Entscheidung bereits gefallen ist.
Kühnert verteidigt die Entscheidung, indem er erklärt, dass auf eine russische Aggression nicht naiv reagiert werden darf. Er bezeichnet die Entscheidung zur Stationierung als schwierig und erklärungsbedürftig, jedoch nicht als Aggression.
Parteichefin Esken sieht keinen Riss durch die SPD
Esken erkennt keinen Riss innerhalb der Partei. Sie betont, dass es notwendig sei, auf die Bedrohung aus Kaliningrad zu reagieren. Dennoch gibt es in der Partei einen Konsens über das Ziel, mehr Rüstungskontrolle in Europa zu erreichen.
In der SPD brodelt es. Offene Briefe kursieren, und der Erhard-Eppler-Kreis fordert eine transparente Debatte über die Stationierung. Auch zahlreiche prominente SPD-Mitglieder zeigen sich irritiert über die plötzliche und unerwartete Entscheidung des Kanzlers.
Menschen im Osten bewegt die Raketenstationierung
Derzeit laufen drei Landtagswahlkämpfe im Osten, wo die Bevölkerung der Stationierung von Mittelstreckenwaffen besonders skeptisch gegenübersteht. Thüringens SPD-Finanzministerin Heike Taubert äußert Bedenken und fragt sich, warum man angesichts von Frieden erneut auf Waffen setzen sollte.
Taubert unterstützt die Stationierung, steht jedoch vor der Herausforderung, dies an der Basis zu kommunizieren.
Pistorius verlangt Abschreckungsfähigkeit
Der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius, der zuvor von “Kriegstüchtigkeit” sprach, betont nun die Wichtigkeit der “Abschreckungsfähigkeit” im Kontext der Raketenstationierung. Er ist offen für eine Diskussion über die Zukunft Deutschlands im Hinblick auf militärische Fähigkeiten.
Er fordert ein Verständnis innerhalb der Partei für die Notwendigkeit, eine verloren gegangene Fähigkeit zur Abschreckung zu reaktivieren, ohne in einen neuen Rüstungswettlauf zu geraten.