Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat erhebliche Mängel im Katastrophenschutz in Deutschland offengelegt. Fragen bleiben, ob sich die Maßnahmen seither verbessert haben, wie von den Politikern nach der Flut versprochen.
Zu Beginn dachten Florian Ulrich und seine Kollegen an einen gewöhnlichen Einsatz. Ulrich, Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr in Ahrbrück, erinnert sich: “Wir hatten das Hochwasser von 2016 im Kopf. Wir dachten, das würde die Situation widerspiegeln.” Die Realität jedoch war verheerend anders.
Am 14. Juli 2021 waren sie nicht in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen – aufgrund fehlender Informationen und Warnungen vor der nahenden Katastrophe.
In jener Nacht fielen in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bis zu 100 Liter Regen pro Quadratmeter. Die Ahr verwandelte sich innerhalb weniger Stunden in einen reißenden Fluss. 135 Menschen verloren ihr Leben, 9.000 Gebäude und 100 Brücken wurden zerstört.
Die Meldesysteme versagten – ein Zusammenspiel aus menschlichem Versagen, veralteter Technik und unzureichendem Training der Bevölkerung auf Warnungen.
Probealarm fest im Kalender
Katastrophen-Warntage wie der 12. September sind nun fester Bestandteil des Katastrophenschutzes, um zukünftige Unglücke zu verhindern. Krisenforscher betonen die Notwendigkeit von Frühwarnsystemen und kritisieren lückenhafte Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zur Ahrtal-Katastrophe.
Das Katastrophenmanagement während der Flut war unzureichend. Ein Verwaltungsstab fehlte, und Katastrophenalarm wurde erst nach 23 Uhr ausgelöst, obwohl dies bereits um 18:30 Uhr hätte geschehen müssen.
Hat sich der Katastrophenschutz seit der Ahrflut flächendeckend verbessert?
Seitdem habe sich im Katastrophenschutz viel getan. Nach einer umfassenden Umfrage wurde festgestellt, dass drei wesentliche Verbesserungen umgesetzt wurden: Erhöhte Personalstärke in Ämtern, ein besseres Schnittstellenmanagement zwischen staatlichen Stellen und Hilfsorganisationen sowie die Einführung von Kontrollmechanismen.
Allerdings sei das System in vielen Regionen nicht grundsätzlich schlecht gewesen, sondern es gab spezifische Defizite im Ahrtal, die zu den fatalen Folgen führten.
“Reifegrad” als Indikator der Vorbereitung
Der deutschlandweit ermittelte “Reifegrad der Katastrophenschutzorganisation” liegt bei etwa 85 Prozent. Im Ahrtal hingegen betrug dieser Wert nur 31 Prozent, was auf massive Defizite in der Vorbereitung hinweist.
Feuerwehrleute waren gezwungen, zu Fuß durch die Fluten zu gehen, um die Menschen zu warnen, da ihre Kommunikation geschwärzt war. Zwei Personen konnten sie auf diese Weise retten.
Ulrich fordert weiterhin umfassendere Veränderungen im Katastrophenschutz: „Wir haben elektronische Sirenen installiert, aber im Vergleich zu anderen Bundesländern ist Rheinland-Pfalz immer noch nicht gut aufgestellt.“
Deutschland muss mal “fünfe gerade sein lassen”
Kritiker bemängeln, dass Deutschland im internationalen Vergleich viel zu langsam agiert. Die Bürokratie behindert dringend benötigte Maßnahmen, wie etwa die Ausstattung mit Sirenen.
Während die Vorbereitungen für Naturkatastrophen zunehmen, bleiben Bedenken im Zivilschutz und bei Cyberrisiken. Die Gefahren durch digitale Angriffe sind bisher nicht ausreichend anerkannt worden.
Im Ahrtal ist die Angst vor einer neuen Flut weiterhin präsent. Viele Bewohner berichten von einem tiefen Misstrauen gegenüber den Behörden, trotz der neu installierten Warnsysteme. Bei Regen bleibt die Anspannung groß.