Schutz des Bundesverfassungsgerichts: Ampelkoalition und Union einigen sich auf punktuelle Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit.
Die Schutzmaßnahmen für das Bundesverfassungsgericht sind vor dem Hintergrund autoritärer Bestrebungen erforderlich, um die Unabhängigkeit dieser wichtigen Kontrollinstanz zu gewährleisten. Im Vergleich zu Entwicklungen in Ländern wie Polen und Ungarn wird hier ein stärkender Rechtsrahmen angestrebt.
Die Ampelkoalition und die Union haben sich auf eine Grundgesetzänderung geeinigt, um das Gericht von tagespolitischen Auseinandersetzungen zu entziehen und die Unabhängigkeit des Gerichts zu wahren.
Die erzielte Einigung stellt jedoch nur einen Minimalkonsens dar.
Struktur und Besetzung
Künftig soll die Zahl der Senate (zwei) sowie die Anzahl der Richter (je acht), ihre Amtszeit (zwölf Jahre) und die Altersgrenze (68 Jahre) im Grundgesetz verankert werden. Der Vorschlag sieht auch vor, eine Wiederwahl auszuschließen.
Dieses Regelwerk zielt darauf ab, eine politisch motivierte Einflussnahme auf das Gericht zu verhindern, etwa durch die Ernennung von linientreuen Richtern oder Änderungen von Amtszeiten und Altersgrenzen zur Absetzung unerwünschter Richter.
Zudem soll die Bindungswirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nun im Grundgesetz festgehalten werden.
Solche Vorschriften sind bereits in einem einfachen Gesetz verankert. Eine Änderung im Grundgesetz würde es erschweren, diese Regelungen zu ändern, da eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre.
Geschäftsordnungsautonomie
Die Vorschläge spiegeln hauptsächlich einen ersten Entwurf wider, der im April als Grundlage für Gespräche vorgelegt wurde, insbesondere auf Drängen der Union.
Neu ist der Vorschlag, die Geschäftsordnungsautonomie des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern, sodass das Gericht seine Arbeitsweise selbst bestimmen kann.
In anderen Ländern führte eine solche Einschränkung dazu, dass die Effizienz und Unabhängigkeit der Gerichte erheblich beeinträchtigt wurde.
Große Leerstelle
Ein bedeutendes Manko des Entwurfs ist die fehlende Regelung zur Wahl der Richter durch eine Zweidrittel-Mehrheit, die sicherstellen würde, dass eine breite gesellschaftliche Mehrheit hinter der Wahl steht.
Somit bleibt die derzeitige Regelung im einfachen Gesetz in Kraft, was bedeutet, dass sie mit einfacher Mehrheit geändert werden könnte, was ein Risiko darstellt, falls sich die Machtverhältnisse im Bundestag ändern.
Richterwahl blockierbar?
Sollte eine Fraktion im Bundestag mehr als ein Drittel der Stimmen haben, könnte sie die Wahl eines Richters blockieren. Es gibt jedoch Vorschläge, die eine Lösung für solche Szenarien bieten, etwa den Bundesrat als Wählorgan zu aktivieren.
Der Gesetzentwurf sieht einen solchen “Ersatzwahlmechanismus” vor, lässt jedoch dem einfachen Gesetzgeber Freiheit, ob und wie dieser genutzt wird.
Befürchtung vor Überfrachtung
Die Gründe, warum in der Einigung keine umfangreicheren Regelungen möglich waren, bleiben teilweise unklar. Die Vorschläge sollen im Rahmen der bestehenden Regelungen eine Balance zwischen notwendiger Stabilität und Flexibilität im Umgang mit dem Gesetz wahren.
Diese Zurückhaltung reflektiert die anfängliche Skepsis gegenüber einer Grundgesetzänderung und zeigt die Schwierigkeiten, die während der Verhandlungen auftraten.
Trotz anfänglicher Widerstände deuten die letzten Verhandlungen auf einen allmählichen Konsens hin, auch wenn am Ende nur minimale Ergänzungen vereinbart wurden.