Bereits in drei Fällen
Vertrauensfrage: Ein Weg zu vorgezogenen Neuwahlen
16. Dezember 2024, 01:19 Uhr
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Olaf Scholz bringt die Vertrauensfrage in den Bundestag ein – ein strategisches Werkzeug, das der Bundeskanzler mobilisieren kann, um seine politische Position zu festigen oder um grundlegende Veränderungen einzuleiten. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben Kanzler insgesamt fünfmal die Vertrauensfrage initiiert, wobei in drei Fällen absichtlich Neuwahlen herbeigeführt wurden:
Willy Brandt, 1972: Vertrauensfrage führt zu Neuwahlen
Im September 1972 stellte Willy Brandt die erste Vertrauensfrage der Bundesrepublik auf. Ziel war es, Neuwahlen zu erzwingen, um die Unterstützung seiner Ostpolitik zu sichern. Brandt erlitt erwartungsgemäß eine Niederlage: Von 482 Abgeordneten befürworteten 233 seine Vertrauensfrage, 248 stimmten dagegen und einer enthielt sich. Bei der nachfolgenden Bundestagswahl erzielte die SPD das beste Ergebnis ihrer Geschichte.
Helmut Kohl, 1982: Strategische Niederlage zur Schaffung von Stabilität
Nach dem Koalitionsbruch zwischen FDP und SPD im Herbst 1982 wurde Helmut Kohl zwei Monate später durch ein konstruktives Misstrauensvotum Kanzler. Um Neuwahlen einzuleiten, verlor er absichtlich die Vertrauensfrage: Nur acht Abgeordnete stimmten dafür, 218 dagegen, und 248 enthielten sich. Dieser Schritt markierte den Beginn einer konzertierten konservativen Ära in Deutschland, die bei der darauffolgenden Bundestagswahl durch die Wählerinnen und Wähler bestätigt wurde.
Gerhard Schröder, 2005: Ende der rot-grünen Ära
Nach schlechten Wahlergebnissen und wachsender Unzufriedenheit stellte Gerhard Schröder im Juli 2005 die Vertrauensfrage. Er verlor sie bewusst mit 151 Ja- gegenüber 296 Nein-Stimmen und 148 Enthaltungen, was in der Folge zu vorgezogenen Bundestagswahlen führte. Der Sieg der Union beendete die rot-grüne Ära, und Angela Merkel wurde zur ersten Kanzlerin Deutschlands gewählt.