Kommentar
Nach dem Anschlag in Solingen haben sich die Regierungsparteien auf wesentliche Änderungen im Asyl- und Waffenrecht verständigt. Diese zahlreichen Vorschläge reichen von sinnvollen Anpassungen bis hin zu Maßnahmen, die Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen und gravierend in deren Rechte eingreifen.
Die Forderungen nach einem Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan, dauerhaften Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen, die zuvor im Raum standen, spielen bei der Einigung der Regierungsparteien nun keine Rolle mehr.
Dies ist ein begrüßenswerter Schritt, denn solche Vorschläge verstoßen gegen Völkerrecht, EU-Recht und grundlegende Menschenrechtsstandards. Das Recht, an einer EU-Grenze Schutz zu beantragen und rechtlich angehört zu werden, ist ein zentrales Element des europäischen und internationalen Flüchtlingsschutzes und sollte nicht leichtfertig infrage gestellt werden.
Sicherheitsbehörden brauchen strenge Gesetze
Das neue Maßnahmenpaket der Regierungsparteien bietet eine differenzierte Herangehensweise, die unter anderem eine strenge Regulierung von Messern umfasst. Das Verbot bestimmter Messertypen an bestimmten Orten ist eine notwendige Maßnahme, um der zunehmenden brutalisierten Messergewalt entgegenzuwirken. Sicherheitsbehörden benötigen klare Gesetze, um effektiv handeln und die Bevölkerung schützen zu können.
Merz’ unbesonnene Rhetorik hat Wirkung
Kritisch zu bewerten bleibt jedoch die Rhetorik zum Thema Migration und Asyl, insbesondere die alarmistischen Äußerungen, die eine nationale Notlage beschwören. Diese Äußerungen haben Auswirkungen, insbesondere wenn die Regierung plant, Sozialleistungen für Geflüchtete, die in einem anderen EU-Staat registriert sind, zu streichen, vorausgesetzt, der andere Staat ist zur Rücknahme bereit. Dies kann als Druckmittel gegen Geflüchtete interpretiert werden.
Hier könnte das Bundesverfassungsgericht aufmerksam werden, da Leistungen, die das Existenzminimum sichern, nicht als politisches Druckmittel verwendet werden sollten. Sie sind dazu da, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, nicht um migrationspolitischen Zwang auszuüben.
Zudem verbessert ein solcher Zwang zur Ausreise in andere EU-Länder nicht die ungerechte Dublin-Regelung, die oft die EU-Grenzstaaten wie Italien und Griechenland überlastet, während deutsche Nachbarn bei Rückführungen zögerten.
Schnell stehen alle Migranten unter Generalverdacht
Auch die geplanten Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan zeigen, dass bei Gewalttaten von Geflüchteten oft die ganze Migrantengruppe unter Generalverdacht gerät. Dies führt zu einer voreiligen Annahme, dass Migration die Wurzel des Problems sei.
Dabei wird häufig vergessen, dass der Arbeitsmarkt auf junge Menschen aus anderen Ländern angewiesen ist, und dass die Beschäftigungsquote von Zuwanderern, die länger hier leben, bei fast 70 Prozent liegt. Vielmehr sind Geflüchtete ein wichtiger Bestandteil unseres Wohlstands. Die Regierungsparteien scheinen jedoch derzeit Geflüchtete als Problem und nicht als Menschen mit Rechten zu betrachten.
Es ist wichtig zu betonen, dass ein Rechtsstaat in der Lage sein muss, sowohl den Schutz vor Terrorismus zu gewährleisten als auch die Rechte von Geflüchteten zu verteidigen. Eine besonnene Reaktion auf Gewalt ist hierbei entscheidend und sollte nicht in der öffentlichen Debatte verloren gehen.