Einige Landkreise bringen ihre finanziellen Herausforderungen vor das Bundesverfassungsgericht, während andere auf Zwangsmaßnahmen setzen. Die angespannte Finanzsituation der Kommunen ist nun auch ein zentrales Thema im Wahlkampf.
Der Landkreis Mansfeld-Südharz und der Salzlandkreis aus Sachsen-Anhalt haben Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der Schritt wird als letzter Ausweg betrachtet, um grundlegende Fragen zu klären.
Der Landrat von Mansfeld-Südharz, André Schröder, erklärte, dass sich Aufgaben wie Corona-Hilfen, Migration und Energiekrisen angesammelt haben, während die finanziellen Mittel nicht mitgewachsen sind. Der Kreis rechnet für dieses Jahr mit einem Defizit von 42 Millionen Euro und gilt als handlungsunfähig.
Gesellschaftliches Leben vor Einschränkungen
Der Deutsche Landkreistag schätzt, dass zusätzliche Kosten von rund sieben Milliarden Euro auf die Landkreise und kreisfreien Städte zukommen. Diese Entwicklung ist zu beobachten, da der Bund die Unterkunftskosten für Geflüchtete nicht mehr vollständig übernimmt. Der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Achim Brötel, bezeichnete die Landkreise als “Ausfallbürgen” der Bundespolitik.
In Karlsruhe soll nun die Frage geklärt werden, ob das Grundgesetz eine Mindestausstattung für die Kreise vorsieht, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben nötig ist. Zu den Pflichtaufgaben gehören unter anderem der Bau und Unterhalt von Schulen, Kreisstraßen und Teile des Gesundheitswesens.
Zu den freiwilligen Aufgaben zählen Einrichtungen wie Büchereien, Museen und Sportplätze, die zwar nicht vorgeschrieben sind, aber für den gesellschaftlichen Alltag in Deutschland wichtig bleiben. Im Landkreis Mansfeld-Südharz machen diese Aufgaben nur noch zwei Prozent des Haushalts aus.
Die Landkreise befinden sich in einer prekären finanziellen Lage, da sie auf Zuweisungen der Landesregierung und Zahlungen der Städten angewiesen sind. Diese Kreisumlagen können jedoch nicht unbegrenzt erhöht werden, was zu rechtlichen Auseinandersetzungen in mehreren Bundesländern geführt hat.
Die Landesregierung scheint nur zögerlich auf die Forderungen der Landkreise zu reagieren. Der CDU-Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Michael Richter, wies darauf hin, dass die Zuweisungen kürzlich erhöht wurden.
Kreistag verweigert sich Pflichtaufgaben
In Sachsen-Anhalt setzen Kommunalpolitiker ungewöhnliche Maßnahmen ein, um auf ihre finanziellen Herausforderungen aufmerksam zu machen. Im Kreistag des Erzgebirgskreises wurden zusätzliche Ausgaben von 14,8 Millionen Euro für die Unterbringung von geflüchteten Menschen vorgeschlagen, jedoch mehrfach abgelehnt.
In einer Sondersitzung beauftragte der Kreistag den Landrat, sich für eine Reform der Sozialgesetzgebung bei Bund und Ländern stark zu machen, um einem Defizit im Kreishaushalt entgegenzuwirken.
Der Landrat, Rico Anton, hat diese Kritik unterstützt, obwohl er eventuell andere Wege bevorzugt hätte. Die Ablehnung des Kreistags stellte sich jedoch als rechtlich problematisch dar.
Das Land Sachsen hat bereits angekündigt, Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, falls der Kreistag seine Pflichtaufgaben nicht erfüllt. In einer Eilentscheidung hat der Landrat jedoch die Mittel selber angewiesen, um rechtlichen Konsequenzen zuvorzukommen.
In Sachsen summiert sich das jährliche Defizit der Landkreise auf etwa 500 Millionen Euro, zuzüglich 300 Millionen Euro für die kreisfreien Städte. Dies führt zu einer als “prekär” bezeichneten finanzielle Situation.
Thema im Wahlkampf
Die bedeutenden Herausforderungen der Kommunen stehen im Mittelpunkt des Bundestagswahlkampfs. Die SPD schlägt einen “Zukunftspakt Bund, Länder, Kommunen” vor, der unter anderem die Schuldenbremse für die Länder lockern und neue Einnahmequellen schaffen soll.
Bundeskanzler Olaf Scholz bringt das Thema Altschulden zur Sprache, das einige Kommunen weiterhin belastet. Städte in Nordrhein-Westfalen haben allein etwa 20 Milliarden Euro an Altschulden acumuliert.
Während eine Lösung der geschäftsführenden Bundesregierung angestrebt wird, sind die Aussichten auf eine Umsetzung vor den Wahlen aufgrund notwendiger Grundgesetzänderungen und Einigungen mit der Union als gering einzuschätzen.
Landrat Schröder: “Das Wenige muss für alle reichen”
Die Union verspricht in ihrem Wahlprogramm eine Senkung der Unternehmenssteuern, von der ein wirtschaftlicher Impuls erwartet wird. Dies könnte kurz- bis mittelfristig zu Mehreinnahmen führen.
Dessen ungeachtet könnte die Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden anfänglich zu Mindereinnahmen für alle führen. Gleichzeitig wird eine stärkere Einbeziehung der Kommunen in die Gesetzgebung gefordert.
Einige Kommunalvertreter fordern nicht nur mehr finanzielle Mittel, sondern auch eine Reduzierung der Aufgaben und mehr Mitspracherecht in ihren Angelegenheiten.
Landrat André Schröder bilanziert: “Keine staatliche Ebene darf sich selbst überfordern. Wenn das Geld nicht reicht, muss das Wenige für alle reichen.”