Porträt
Kevin Kühnert, bekannt für seine lautstarke und provokante Art, hinterlässt als ehemaliger Juso-Chef und SPD-Generalsekretär einen bleibenden Eindruck in der deutschen Politik. Sein überraschender Rücktritt hat viele in der politischen Landschaft überrascht.
“Wir haben ein Interesse daran, dass noch was übrig bleibt von diesem Laden – verdammt noch mal”, so rangierte Kühnert gerne auf SPD-Parteitagen. Als Juso-Chef war er energiegeladen und hatte in Interviews humorvoll erklärt: “Jetzt muss ich zumindest niemandem mehr erklären, wer die Jusos sind.”
Mit seiner steigenden Bekanntheit wuchs auch sein Einfluss. Kühnert spielte eine entscheidende Rolle bei der Suche nach einer neuen Doppelspitze in der SPD, insbesondere nach dem Rücktritt von Andrea Nahles.
Enge Zusammenarbeit zwischen Kühnert und Scholz
In diesen entscheidenden Momenten war Kühnert einflussreicher als Olaf Scholz, der damals nach der Parteiführung strebte. Kühnert war ein prominenter Kritiker der Großen Koalition und mobilisierte seine Unterstützer, um das unbekannte Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die Spitze der Partei zu bringen.
Trotz anfänglicher Differenzen arbeiteten Kühnert und Scholz später erfolgreich zusammen. Kühnert betonte in einem Interview, dass politische Zusammenarbeit auch ohne persönliche Freundschaft funktionieren kann.
Partei wirkte geschlossen – aber auch langweilig
Mit seinem Aufstieg in den SPD-Parteivorstand etablierte Kühnert eine enge Freundschaft mit Lars Klingbeil, was zu einer ruhigeren und geschlosseneren Parteiführung führte. Diese geschlossene Front wirkte jedoch manchmal etwas langweilig und ließ Kühnerts rednerisches Talent ungenutzt.
Der politische Aktivismus wurde durch die ruhige Arbeitsweise des neuen Generalsekretärs ersetzt, der sich für die zufriedenstellende Unterstützung von Scholz einsetzte.
Während der Parteitag im Dezember 2021 ihm 77,8 Prozent Zustimmung bescherte, fürchteten einige, dass Kühnert zu viel Macht ansammeln könnte.
Vom Rebell zum Moderator
Kühnert übernahm zunehmend die Rolle des Moderators und widmete sich der Herausforderung, die SPD während turbulenter Regierungszeiten zusammenzuhalten. In Anbetracht der geopolitischen Krisen äußerte er das Bedürfnis nach Stabilität und weniger externen Einflüssen in der Politik.
Trotz seiner bemerkenswerten Rückhaltung blieb die SPD unter Kühnerts Führung im Kern stabil, auch wenn interne Kritik an Scholz nicht ausgesprochen wurde.
Kühnert stellte klar, dass die neuen Herausforderungen von beiden Seiten Unterstützung erforderte. Der Erfolg von Scholz sei eng mit dem Schicksal der SPD verbunden.
Wiederwahl 2023 gefolgt von Niederlagen
Im Jahr 2023 begannen jedoch Spannungen in der SPD. Kühnerts Aufgabe wurde durch enttäuschende Wahlen, besonders in den östlichen Bundesländern, und eine missratene Europawahl, die mit 14 Prozent endete, erschwert.
Diese Herausforderungen belasteten Kühnert, der überzeugte, dass er eine Bundestagswahlkampagne erfolgreich organisieren könne, bis er gesundheitliche Probleme verbarg.
Am Tag seines plötzlichen Rücktritts beeindruckte er seine politischen Begleiter mit Respekt und Anerkennung für seine Arbeit, auch wenn viele über seine Entscheidung überrascht waren.
Kühnert betonte, dass er Verantwortung für seine Gesundheit und die SPD übernehme, was von seinen Mitstreitern für den Mut gewürdigt wurde, den er zeigte, indem er diesen wichtigen Schritt wagte.