Die Grünen kündigen Neuausrichtung nach herben Verlusten in drei Landtagswahlen an. Baden-Württemberg bleibt ein grünes Vorzeigeprojekt unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
“Wir sind richtig am Abschiffen” – so beschreibt Winfried Kretschmann die aktuellen Herausforderungen seiner Partei nach den letzten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Kretschmann, der seit 13 Jahren Ministerpräsident von Baden-Württemberg ist, repräsentiert die Erfolge der Grünen in einem Bundesland, das lange von der CDU dominiert wurde.
Seine Wahrnehmung als schwäbisch-bodenständig hat wesentlich zum Erfolg der Grünen in Baden-Württemberg beigetragen. Aktuell liegen die Umfragewerte der Partei bei etwa 20 Prozent, während die CDU, als Juniorpartner in der Koalition, rund zehn Prozentpunkte voraus ist.
Bei der letzten Landtagswahl erzielten die Grünen 32,6 Prozent. Der bevorstehenden Landtagswahl 2026 stehen sie vor der Herausforderung, einen neuen Spitzenkandidaten zu finden, da Kretschmann seinen Rückzug angekündigt hat.
Verantwortung der Ampel-Koalition?
Alexander Maier, Oberbürgermeister von Göppingen, bleibt optimistisch. Der 33-Jährige, der früher im Landtag sitzt, glaubt, dass die Grünen auch nach 2026 die Ministerpräsidentenrolle behalten können, sofern die Unzufriedenheit mit der Ampel-Koalition in Berlin nicht anhält.
Maier betont die Notwendigkeit, der negativen Stimmung entgegenzuwirken, und appelliert an die Partei, Chancen zu sehen, anstatt sich nur auf Probleme zu konzentrieren. Dazu gehört auch, Migration positiv zu besetzen und den Unternehmergeist zu fördern.
Markenzeichen Kretschmann vs. Markenzeichen Grün
Wahlforscher Frank Brettschneider sieht die Situation der Grünen als kritisch. Die Wahrnehmung als “Besserwisser-Partei” könnte sich negativ auf die Regierungsfähigkeit im Jahr 2026 auswirken. Kretschmanns Politik des “Gehörtwerdens” könnte nicht ausreichend als parteiübergreifendes Merkmal anerkannt werden.
Bürgermeister Maier hofft hingegen, dass Kretschmanns Erfolge langfristig der Partei zugutekommen werden, insbesondere im Bereich des Nahverkehrs. Dennoch stehen die Grünen vor Herausforderungen, wie dem schleppenden Ausbau der Windkraft und einer harten Asylpolitik, die den Eindruck der Kompromissbereitschaft trüben könnte.
Kretschmanns Erbe nutzen?
Ein wichtiger Punkt wird sein, ob der neue Spitzenkandidat von Kretschmanns Vermächtnis profitieren kann. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wird als möglicher Nachfolger gehandelt, was zu einem dynamischen Wahlkampf führen könnte, so Maier.
Özdemir, der als “anatolischer Schwabe” aufgewachsen ist, könnte dazu beitragen, die Wähler von Kretschmann zu mobilisieren. Brettschneider warnt jedoch davor, dass die Wählerschaft Özdemir vor allem als Berliner Polit-Prominenz wahrnehmen könnte, was die Chancen auf Gewinn im Wahlkampf mindern könnte.
Die Grünen sollten darauf vorbereitet sein, Özdemir nicht als Kretschmann 2.0 zu präsentieren, sondern sich auf die Schaffung eines eigenständigen grünen Profils zu konzentrieren, das unabhängig von Kretschmanns Erbe ist.