Kritik, Ironie, Augenzwinkern
Ein “Schlagersänger” wollte Udo Jürgens nie sein
30.09.2024, 07:56 Uhr
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Udo Jürgens wird oft mit dem Schlager-Genre in Verbindung gebracht, doch sein musikalisches Repertoire ist viel facettenreicher. An seinem 90. Geburtstag erinnern wir uns daran, was er der deutschen Musikszene hinterlassen hat.
Udo Jürgens, der über Jahrzehnte das deutschsprachige Showbusiness prägte, kombinierte in seinen Hits aktuelle politische Themen mit verschiedenen Musikströmungen, wie seine Kinder John und Jenny Jürgens berichten. Am 30. September wäre er 90 Jahre alt geworden.
“Er wollte immer modern und nicht veraltet wirken”, erklärt John Jürgens. “Mein Vater hat uns auch zeitgemäße Musik gezeigt – von Rockbands bis hin zu den neuesten Trends”, ergänzt seine Schwester Jenny.
Udo Jürgens, geboren als Jürgen Udo Bockelmann in Klagenfurt, hinterließ ein beeindruckendes musikalisches Erbe: Über 1000 Songs, zahlreiche Hits und mehr als 100 Millionen verkaufte Tonträger. Er verstarb im Dezember 2014 in der Schweiz.
Erste Single in 1956
Seine erste Single “Es waren weiße Chrysanthemen” aus dem Jahr 1956 repräsentierte die Schlagermusik. Ein Jahrzehnt später stellte sich Jürgens mit dem Hit “Siebzehn Jahr, blondes Haar” und beim Eurovision Song Contest mit “Merci Chérie” als eigenständiger Komponist vor.
“Er strebte danach, sich vom Image des Schlagersängers zu distanzieren”, erklärt Jenny. Es habe ihn immer “leicht gestört”, so betont sie, wenn er so bezeichnet wurde.
Anlässlich seines posthumen 90. Geburtstags erscheint die Best-of-Sammlung “Udo 90”, welche auch die damaligen musikalischen Einflüsse zeigt. Lieder wie “Immer wieder geht die Sonne auf” und “Deine Einsamkeit” spiegeln den Einfluss zeitgenössischer Künstler wider.
Gescheitertes Pop-Experiment
Trotz seines Talent hatte Udo Jürgens auch seine Herausforderungen. 1981 veröffentlichte er in den USA das englischsprachige Album “Leave A Little Love”, das den Pop beeinflusste. “Wir fanden es cool, aber das Publikum nahm es nicht an”, beschreibt Jenny.
Udo Jürgens’ Texte thematisierten mehr als bloße Unterhaltung. In Songs wie “Lieb Vaterland” beschäftigte er sich mit sozialen Missständen, während in “5 Minuten vor 12” Themen wie Umweltverschmutzung angesprochen werden.
“Er hatte die Fähigkeit, mit Leichtigkeit ernsthafte Themen in seine Musik einzuflechten,” sagt Jenny Jürgens.
Aufregung um “Aber bitte mit Sahne”
Udo Jürgens’ Songs beinhalten sowohl Kritik als auch Selbstironie, insbesondere in Bezug auf sein Image. “Er wusste, wer er war, und sein Credo war die Fortentwicklung,” erzählt Jenny.
Die Geschwister blicken gelassen auf die Diskussion um den Klassiker “Aber bitte mit Sahne”, dessen kontroverser Text in einer Fernsehsendung angepasst wurde. “Man sollte es anpassen, aber der ursprüngliche Text hätte auch bleiben können,” merkt Jenny an.
Udo Jürgens lebt posthum weiter
Statt sich auf Kontroversen zu konzentrieren, freuen sich die Geschwister über den neu entdeckten, bisher unveröffentlichten Song “Als ich fortging”, der innerhalb weniger Tage mehr als 300.000 Aufrufe erzielte.
Das Stück wurde dank künstlicher Intelligenz aus alten Archiven digital aufbereitet und zeigt Udo Jürgens in neuer Klangqualität.
Posthum wird Udo Jürgens auch auf der Bühne fortleben. Im November beginnt die Tournee “Da Capo Udo Jürgens”, in der Konzertaufnahmen des Sängers gezeigt werden. Sein Sohn John möchte jedoch keine digitalen Avatare von ihm auf der Bühne sehen, da ihm das unheimlich ist.