Hintergrund
Die AfD hat im Thüringer Landtag erstmals mehr als ein Drittel der Sitze erreicht. Diese sogenannte Sperrminorität bedeutet, dass die Partei in politische Entscheidungen einbezogen werden muss und hat bereits Erfahrung im Blockieren von Maßnahmen.
Im Kontext der Thüringer und sächsischen Landtagswahlen sorgt ein juristischer Begriff für Aufsehen: die Sperrminorität. Dies bedeutet, dass eine Fraktion mit mehr als einem Drittel aller Abgeordneten in der Lage ist, wichtige Entscheidungen, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern, zu blockieren.
In Thüringen hat die AfD mit dem vorläufigen Wahlergebnis 32 von 88 Sitzen erreicht – zwei Sitze über der benötigten Grenze für diese Sperrminorität. In Sachsen verfehlte sie mit 40 von 120 Sitzen nur knapp dieses Ziel.
Wahlziel der AfD erreicht
Bereits im November 2022 hatte die Höcke-AfD dieses Ziel formuliert. Der Co-Landeschef erklärte, dass mit dieser Mehrheitsbildung auch neue politische Gestaltungsmöglichkeiten einhergehen würden. Nach der Wahl äußerte er, dass die anderen Fraktionen nun gezwungen seien, mit der AfD zu kommunizieren und Kompromisse zu finden.
Eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist sowohl in Thüringen als auch in Sachsen erforderlich, um die Landesverfassung zu ändern, das Landesverfassungsgericht zu besetzen oder den Landtag aufzulösen. In Thüringen gilt dies zudem für andere Gremien.
Verfassungsreform gerade erst durch
Eine der größten Herausforderungen ist die Änderung der Verfassung. Nach intensiven Verhandlungen einigten sich die regierenden Parteien vor der Wahl auf Verbesserungen für die Rechte der Kommunen und Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung. Diese Änderungen müssen künftig in der Regierungspolitik umgesetzt werden.
Verfassungsreformen sind jedoch nicht alltäglich. Die Thüringer Verfassung wurde nur sporadisch geändert, ebenso die sächsische.
In Sachsen wäre das Potenzial der Sperrminorität noch beträchtlicher gewesen, denn im Frühjahr wurde eine bereits verhandelte Verfassungsreform unterbrochen, die eine direkte Beteiligung der Bürger fördern sollte.
Je instabiler, desto gefährlicher
Die Auflösung des Landtages ist nicht an der Tagesordnung, es sei denn, es sind keine stabilen politischen Mehrheiten mehr zu finden.
Thüringen hat mit jüngsten Erfahrungen von solcher Unsicherheit nach dem Rücktritt eines Ministerpräsidenten zu kämpfen. Die Zusammenarbeit von Minderheitsregierung und Opposition könnte ein Mittel zur Behebung der Krise sein.
Kommt es zu keiner Einigung zwischen den Parteien, wird die AfD entscheidenden Einfluss auf die möglichen nächsten Schritte im Parlament haben und könnte von dieser Situation in erheblichem Maße profitieren.
Mehrere Gremien auf Zwei-Drittel-Wahlen angewiesen
In Thüringen erfordert die Besetzung dreier Gremien eine Zwei-Drittel-Mehrheit, was der AfD bereits eine Möglichkeit zum Einfluss gegeben hat.
Der Richterwahlausschuss bestimmt über lebenslange Ernennungen von Richtern. Bei der Staatsanwaltschaft liegt die Verantwortung für die Ernennung von Staatsanwälten ebenfalls dort. Die AfD hatte bereits in der Vergangenheit Einfluss auf diese Gremien genommen.
Die Parlamentarische Kontrollkommission hingegen wird derzeit nicht tätig und überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die AfD hat hier aufgrund ihrer Wahlkandidaturen bislang keinen Einfluss erlangen können.
Ungewissheit droht auch bei Landtagspräsidenten-Wahl
Die Herausforderung durch die Sperrminorität und die daraus resultierenden Unsicherheiten sind für die politischen Fraktionen in Thüringen nicht leicht zu bewältigen.
Bis zum 1. Oktober muss sich der neue Landtag konstituieren und einen Landtagspräsidenten wählen. Die AfD hat das Vorschlagsrecht für diesen Posten, was den Ausgang der Wahl bereits jetzt spannend macht.
Experten erwarten, dass ein AfD-Kandidat zunächst in zwei Wahlgängen scheitern könnte, bevor er möglicherweise aufgrund interner Absprachen auf einen gemeinsamen Kandidaten aus den anderen Fraktionen trifft. Dies könnte zu weiteren politischen Auseinandersetzungen führen.
Die geheimen Wahlen könnten überraschend verlaufen, und es wird spekuliert, dass Stimmen aus der CDU sowie die Unterstützung von Politikneulingen eine entscheidende Rolle spielen könnten. Die Wahl des Landtagspräsidenten wird somit zu einem ersten Testfall für die neuen politischen Verhältnisse in Thüringen.