Analyse
In Sachsen liegt die politische Zukunft stark in den Händen von Michael Kretschmer, der der CDU helfen kann, die AfD zu besiegen. Allerdings ist eine grundlegende Veränderung im Land auch mit einem Wandel von Kretschmer selbst erforderlich, denn die AfD wird vor allem außerhalb des Landtags Einfluss gewinnen.
Michael Kretschmer hat sich als starker Kandidat erwiesen. Bei der letzten Wahl konnte er seinen Görlitzer Wahlkreis mit über 47 Prozent für die CDU gewinnen und die AfD in Sachsen noch knapp ausstechen.
Als Ministerpräsident hat Kretschmer eine unangefochtene Stellung innerhalb der CDU. Er hat klar erklärt, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD „solange ich hier etwas zu sagen habe“ ausgeschlossen ist, eine Botschaft, die er bereits vor einem Jahr in seiner Partei verbreitete.
Eine klare Option
Kretschmer steht vor der schwierigen Aufgabe, da die CDU in der Vergangenheit mit SPD und den unbeliebten Grünen koalieren musste, um gegen die AfD und die Linke anzutreten. Angesichts der aktuellen Zusammensetzung des Landtags, in dem eine Koalition mit Sahra Wagenknecht keine Mehrheit mehr hat, steht die CDU vor neuen Herausforderungen.
Die CDU könnte gezwungen sein, die Grünen zu ignorieren. Besser wäre es, zwischen beiden Parteien zu wählen, doch nun ist sie verstärkt auf die neue Kraft angewiesen. Hinter den Kulissen ist offensichtlich, dass das BSW auf die CDU ausgerichtet ist.
Es gibt kaum einen anderen Politiker in Sachsen, der den Standpunkt von Sahra Wagenknecht näherkommt als Kretschmer. Dies ist auch der Führung der Wagenknecht-Partei bewusst.
Kretschmer hat jüngst betont, dass er viele kritische Standpunkte zur Russland- und Ukraine-Politik der Bundesregierung in die politische Debatte eingebracht hat, was unbestreitbar in der sächsischen Bevölkerung Anklang findet.
Im Wahlkampf wurde deutlich, wie anders die politische Realität in Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern ist. Sowohl Kretschmer als auch AfD-Oppositionsführer Jörg Urban zeigten sich offen für den Bau neuer Atomkraftwerke in Sachsen, wobei Kretschmer kleinere, moderne Anlagen befürwortet.
Durchatmen bei SPD, Grünen und Linken
Auf der linken Seite der CDU sind die Aussichten begrenzt. Die SPD hat ihr Ergebnis im Vergleich zu vor fünf Jahren stabil halten können, was jedoch nur im Kontext drohender Verluste als Erfolg wahrgenommen wird. In Dresden gilt die SPD nur als berechenbarer Partner gegenüber den Grünen, da sie sich leichter in Koalitionen integrieren lässt.
Eine große Mehrheit der Bevölkerung in Sachsen sieht eine erneute Regierungsbeteiligung der Grünen ablehnend. Kretschmer hat mehrfach betont, dass er am liebsten ohne die Grünen regieren würde und sie in der Vergangenheit scharf kritisiert hat.
Die Angriffe von Kretschmer verdeckten jedoch, dass die Grünen in Sachsen möglicherweise ihren pragmatischsten Landesverband haben. Im Gegensatz zu den Brandenburger Grünen, die beim Kohleausstieg strenger agieren.
Dennoch sind es vor allem die Großstädte Leipzig und Dresden, die der Partei einen Platz im Landtag sichern. Abseits dieser Metropolregionen zeigt sich Sachsen als stark gespalten.
Im Landtag wird die Linke durch zwei Direktmandate vertreten, wobei Leipzig die Partei im Land hält. Dies gibt der Linken, wie in Thüringen, möglicherweise eine letzte Chance, sich neu zu formieren, während die einfachen Lösungen, die die Linke einst anbot, mittlerweile von BSW und AfD angesprochen werden.
Machtbasis der AfD ist nicht im Landtag
Die AfD wird in Sachsen als rechtsextrem eingestuft, hat jedoch den Status einer Volkspartei erreicht und erhielt im Wahlkampf großen Zuspruch. Trotzdem stagniert die Partei. Jörg Urban, der Landeschef, kann noch so oft geheime Kontakte zur CDU beteuern. Solange Kretschmer an der Spitze bleibt, bleibt der Weg zur Regierungsbeteiligung verschlossen.
Nach der enttäuschenden Wahl wird sich die AfD stärker den Kommunen zuwenden, wo in den Stadträten und Kreistagen die Berührungsängste mit der AfD gesunken sind. In Großschirma wurde am Sonntagabend ein AfD-Politiker zum Bürgermeister gewählt, und in Pirna gibt es bereits einen von der Partei unterstützten Kandidaten an der Spitze.
Ein reportierter Anstieg von rechtsmotivierter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Sachsen zeigt, dass die hohen Zustimmungswerte der AfD potenzielle Täter weiter ermutigen könnten.
Wie kann man aus der schlechten Stimmung herauskommen?
Der Wahlkampf war von Aggressivität und Gewalt geprägt. Die Beratungsstelle “Support” hat eine Vielzahl von Übergriffen auf Politiker und Wahlhelfer dokumentiert. Die allgemeine Stimmung in Sachsen schwankt zwischen Wut und Unsicherheit.
“Es gibt ein großes Misstrauen im Land. Es braucht einen anderen Politikstil.” Diese Aussage von Kretschmer am Wahlabend bezieht sich auf die Ampelkoalition in Berlin. Ein möglicher Ansatz wäre, seinen Politikstil durch die Schaffung einer funktionierenden Koalition zu erweitern.