Justizminister Buschmann plant, Fahren ohne Ticket als Ordnungswidrigkeit neu zu definieren. Der bevorstehende Gesetzentwurf erntet deutliche Kritik aus verschiedenen Richtungen.
Fahren ohne gültigen Fahrschein – sei es aus Unachtsamkeit, Abenteuerlust oder finanzieller Not – wird als Kavaliersdelikt wahrgenommen, obwohl es nach deutschem Recht eine Straftat ist. Jährlich werden rund 148.000 Fälle angezeigt, was signifikante Ressourcen der Behörden in Anspruch nimmt.
Um die Gerichte zu entlasten, beabsichtigt Justizminister Marco Buschmann, diese Verstöße als Ordnungswidrigkeiten einzustufen, ähnlich wie Falschparken. Die Konsequenz wäre ein Bußgeld statt einer strafrechtlichen Verurteilung. Dennoch stößt dieser Entwurf auf erhebliche Kritik.
Kritik von Verkehrsunternehmen
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen äußert scharfe Bedenken. Er schätzt den durch Schwarzfahrer verursachten Schaden auf jährlich etwa 750 Millionen bis 1 Milliarde Euro. Diese Verluste müssen letztlich von den zahlenden Fahrgästen über steigende Ticketpreise ausgeglichen werden. VDV-Präsident: “Der Vorschlag, Schwarzfahren nicht mehr zu bestrafen, zeigt einen fehlenden Respekt für unsere Leistungen und die Arbeit unserer Angestellten.”
Der gegenwärtige Straftatbestand habe zudem eine abschreckende Wirkung. Eine Herabstufung könnte die Zahl der Schwarzfahrer weiter erhöhen. Für die Prüfer sei es entscheidend, dass es sich um eine Straftat handelt, da sie so erweiterte Befugnisse haben, um beispielsweise Personalien festzustellen.
Experten fordern Abschaffung der Straftat
Justizminister Buschmann sieht sich zudem dem Druck von über 120 Experten ausgesetzt, die die komplette Abschaffung des Paragraphen 265a StGB fordern.
Ihre Argumentation: Ein Bußgeld statt einer Geldstrafe hilft wenig, da auch Bußgelder eingetrieben werden müssen – nicht durch die Justiz, sondern durch die Kommunen, was die Verwaltungsarbeit nur verlagert. Ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid würde erneut die Gerichte beschäftigen.
Kritik der Kriminologin
Die Kriminologin von der Fachhochschule Dortmund unterstützt die Forderungen und kritisiert, dass die Pläne des Justizministers nicht ausreichend durchdacht seien. Zahlungsunfähige Personen würden nicht von Haftstrafen verschont.
Statt “Ersatzfreiheitsstrafe” könne es am Ende zu “Erzwingungshaft” kommen, was gravierende Nachteile für Betroffene mit sich bringe. Schätzungen zufolge wären jährlich etwa 7.000 Personen betroffen.
Ein Teil eines größeren Gesetzesvorhabens
Der Referentenentwurf des Gesetzes wird in den kommenden Wochen vorgestellt, gefolgt von Anhörungen der Interessenvertretungen. Die Problematik des Schwarzfahrens ist dabei nur einer von vielen Aspekten.
Ziel ist eine umfassende Modernisierung des Strafgesetzbuches, das in vielen Bereichen als veraltet gilt, einschließlich Bagatellschäden und unerlaubtem Glücksspiel.
Gerichte als Inkassounternehmen
Die Diskussion um Schwarzfahren wird im Herbst neu aufgerollt. Die Kriminologin plädiert für eine vollständige Entkriminalisierung. Das bestehende erhöhte Beförderungsentgelt sei ausreichend und sollte von den Verkehrsunternehmen zivilrechtlich eingetrieben werden. Sie kritisiert, dass die Gerichte derzeit als Inkassounternehmen der Verkehrsbetriebe fungieren.
Einige Verkehrsunternehmen verzichten bereits darauf, Strafanzeigen zu stellen. Die vollständige Entkriminalisierung wird jedoch als problematisch angesehen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen warnt, dass eine solche Botschaft missverstanden werden könnte und fordert eine sinnvolle Lösung für die Überlastung der Justiz, die nicht im Abbau von Gesetzen bestehen darf.