Die SPD bleibt mit Abstand stärkste Kraft in Hamburg, während die CDU bei der Bürgerschaftswahl als zweitstärkste Kraft neu auftritt und die Grünen verdrängt. Die Linke erreicht zum ersten Mal einen zweistelligen Ergebnisschnitt, ebenso kann die AfD zulegen.
Nur eine Woche nach den Wahlen im Bund feiert die SPD in Hamburg unter dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher einen klaren Wahlsieg. Laut aktuellen Hochrechnungen erhält die SPD 33,7 Prozent, was im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren (39,2 Prozent) einen Rückgang darstellt, die Partei bleibt jedoch die stärkste politische Kraft im Stadtstaat.
Im Wahlkampf setzte die traditionsreiche Hamburger SPD auf die Beliebtheit von Tschentscher, der in einer Koalition mit den Grünen seit 2018 regiert. Die rot-grüne Koalition besteht seit 2015 und hat trotz der zunehmenden Wechseldiskussionen in der Hansestadt eine starke Basis behalten. Der Gegenwind aus Berlin wurde weitestgehend ignoriert.
Tschentscher will auch mit CDU sprechen
“Wir wollten stärkste Kraft in Hamburg bleiben und genau das ist auch gelungen”, erklärte Tschentscher auf der SPD-Wahlparty und betonte zudem, dass die Abgrenzung von der AfD in Hamburg wichtig sei.
In Bezug auf die Regierungsbildung kündigte Tschentscher Gespräche mit der CDU an, ist jedoch bestrebt, die bestehende Koalition mit den Grünen fortzusetzen.
Grüne mit Verlusten
Die Grünen verzeichnen einen Rückgang von 24 Prozent auf 18,1 Prozent und fallen hinter die CDU auf den dritten Platz. Spitzenkandidatin Katharina Fegebank, die auch Vize-Regierungschefin ist, verfehlt ihr Ziel, die Grünen zur stärksten Kraft zu machen, trotz ihrer hohen persönlichen Popularität.
Der Verlust an Stimmen könnte auf das Nachlassen der Relevanz ihres Kernthemas Umwelt- und Klimaschutz zurückzuführen sein, ergänzt durch die gesamtpolitischen Trends im Bund, die es den Grünen schwer machen, zu ihrem Erfolg von 2020 zurückzukehren.
Trotz des Rückgangs reagierten die Grünen erleichtert auf die Wahlergebnisse.
CDU mit Gewinnen
Die CDU kann sich auf 19,8 Prozent steigern und verdrängt die Grünen vom zweiten Platz, was nach einem Tiefpunkt von 11,2 Prozent im Jahr 2020 einen deutlichen Gewinn darstellt. Spitzenkandidat Dennis Thering kennt jedoch noch viele Hamburger nicht.
Die CDU bleibt jedoch herausgefordert mit Themen, die Hamburger in urbanen Gebieten wichtig sind, und hofft auf positive Effekte aus der Bundespolitik.
Thering gratulierte Tschentscher und brachte sich als potenzieller Koalitionspartner ins Gespräch.
Linke auch in Hamburg im Aufwind
Die Linke konnte bei der Hamburg-Wahl mit 11,1 Prozent erheblich zulegen und erreicht erstmals in der Hansestadt ein zweistelliges Ergebnisschnitt. Diese Entwicklungen sind zum Teil durch aktuelle Trends auf Bundesebene befeuert.
Spitzenkandidatin Cansu Özdemir stellte die Linke als Alternative zu SPD und Grünen und setzte auf soziale Themen und bezahlbaren Wohnraum, was weiteren Wettbewerb zu den Grünen bedeutete.
“Für uns ist das ein grandioses Ergebnis”, zeigte sich Özdemir erfreut und kündigte an, über ihre neuen Verpflichtungen in den kommenden Tagen zu entscheiden.
AfD legt zu
Die AfD verzeichnet einen Anstieg auf 7,9 Prozent, bleibt jedoch hinter den Ergebnissen anderer Regionen zurück. Die extrem rechte Partei hat möglicherweise von der Diskussion um Migration profitiert.
Nockemann, der Spitzenkandidat der AfD, äußerte sich erfreut über das Ergebnis und ist zuversichtlich, dass die Partei auf dem richtigen Weg ist.
FDP, BSW, Volt unter der Fünf-Prozent-Marke
Die FDP bleibt mit unter drei Prozent weit hinter den Erwartungen zurück und ist personell und politisch nicht überzeugend, während das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ebenfalls unter der Fünf-Prozent-Marke bleibt. Volt erzielt etwas über drei Prozent.
Macht Rot-Grün weiter?
Für die Regierungsbildung steht Tschentscher vor der Wahl zwischen zwei potenziellen Koalitionspartnern: den Grünen und der CDU. Er hatte sich im Wahlkampf klar für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition ausgesprochen.
Mehr Pessimismus als vor fünf Jahren
Rund 1,3 Millionen Hamburger waren zur Wahl aufgerufen. Trotz des Wahlkampfes, der im Schatten der Bundestagswahl stand, war eine gewisse Unruhe und Sorge um die persönliche Situation offensichtlich. Im Vergleich zur letzten Wahl zeigt sich, dass weniger Menschen optimistisch in die Zukunft blicken. Die Wahlbeteiligung wird auf 67 Prozent geschätzt, im Vergleich zu 63 Prozent vor fünf Jahren.