“Ergebnisse ernst nehmen”
Studie: Antidepressiva könnten Demenz beschleunigen
25. Februar 2025, 14:16 Uhr
Eine alarmierende Studie zeigt, dass bestimmte Antidepressiva bei Demenzpatienten möglicherweise den kognitiven Abbau beschleunigen. Diese Medikamente könnten zudem das Risiko für Knochenbrüche und die Sterblichkeit erhöhen. Experten rufen zu einer höheren Vorsicht in der verschreibenden Praxis auf.
Laut der Studie, veröffentlicht in “BMC Medicine”, sollten die verschriebenen Antidepressiva bei Demenzpatienten kritisch hinterfragt werden. Besonders selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), wie Citalopram, Sertralin und Escitalopram, stehen im Fokus. Diese Medikamente sind gängige Behandlungsoptionen zur Erhöhung des Serotoninspiegels im Gehirn, doch deren Anwendung könnte schädliche Auswirkungen bei betroffenen Patienten haben.
Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), betont, dass die Ergebnisse ernst zu nehmen sind. Bisherige Hinweise hatten auch auf die Gefahren von trizyklischen Antidepressiva hingewiesen – einer älteren Klasse von Medikamenten, die bei Demenzkranken nicht eingesetzt werden sollten, da Antidepressiva in dieser Patientengruppe bekanntlich wenig bis gar keine Wirkung zeigen.
Hirnstrukturen oft beschädigt
Ein möglicher Grund könnte sein, dass die relevanten Hirnstrukturen bei Demenzpatienten bereits beschädigt sind, sodass Antidepressiva keinen positiven Einfluss nehmen können. Klaus Fließbach, Oberarzt am Uniklinikum Bonn, erklärt, dass Symptome wie Apathie bei Alzheimer-Patienten häufig auftreten, jedoch nicht immer mit Depressionen verbunden sind, was die Wirksamkeit von Antidepressiva in solchen Fällen infrage stellt.
Die Verbindung zwischen Depression und Demenz ist eindeutig. Viele Demenzerkrankte zeigen Symptome, die auch bei Depressionen gewöhnlich vorkommen, wie Schlafstörungen und emotionale Unruhe. Jedoch können depressive Störungen die kognitiven Fähigkeiten beeinflussen.
Experte: Mehr Vorsicht erforderlich
Bisher verschreiben Ärzte, oft ohne Befunderkennung, Antidepressiva zu früh in der Demenzdiagnose. Berlit fordert mehr Vorsicht bei der Verschreibung von SSRI-Antidepressiva an ältere Patienten. Aktuelle Studienergebnisse legen nahe, dass diese Medikamente bei älteren Patienten besonders kritisch zu betrachten sind.
Die Studie zeigt, dass eine genauere Untersuchung der Ursprünge der Symptome notwendig ist, um festzustellen, ob die Antidepressiva oder die zugrunde liegenden depressiven Symptome zur Verschlechterung der kognitiven Funktion führen. Die Daten liefern Hinweise auf einen potenziellen kausalen Zusammenhang, jedoch ist die Interpretation der Ergebnisse komplex.
Demenz-Test zeigt Verschlechterung
In die Untersuchung wurden fast 19.000 Patienten im Durchschnittsalter von 78 Jahren einbezogen, die neu mit Demenz diagnostiziert wurden und bis zu sechs Monate vor der Diagnosestellung Antidepressiva erhalten hatten. Der Demenz-Test erfasste die geistige Funktion, insbesondere Orientierung und Kurzzeitgedächtnis.
Während der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von vier Jahren erhielten 23 Prozent der Patienten ein Rezept für ein weiteres Antidepressivum, wobei SSRI den größten Anteil ausmachten. Höhere Dosierungen der SSRI waren mit einem erhöhten Risiko für schwere Demenz assoziiert, wobei die Verschlechterung bei Männern schneller voranschritt als bei Frauen.
Mehr Brüche und erhöhte Sterblichkeit
Zusätzlich deutet die Studie auf ein höheres Risiko für Knochenbrüche und eine gesteigerte Sterblichkeit bei Patienten hin, die mindestens ein SSRI nach der Demenzdiagnose erhielten. Die Forscher vermuten, dass ähnliche Auffälligkeiten auch für die SNRI-Antidepressiva in zukünftigen Studien erkennbar sein könnten.
Fließbach zieht das Fazit, dass diese Ergebnisse ernst genommen werden sollten und plädiert für eine sorgfältige Bewertung der Notwendigkeit von Psychopharmaka bei älteren Patienten. Besondere Vorsicht ist geboten, da viele Senioren bereits mehrere Medikation einnehmen und die Wechselwirkungsrisiken oft unklar sind.