Knappste Niederlage aller Zeiten
Die “verschwendeten” Stimmen der Bundestagswahl
24.02.2025, 17:59 Uhr
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Erstmals in der Geschichte der deutschen Bundestagswahlen hat eine Partei den Einzug so knapp verpasst wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in diesem Jahr. Nur 13.000 Stimmen mehr hätten die Situation für den Wahlsieger CDU erheblich verändert und den Parteichef Merz in Bedrängnis gebracht.
Die finale Entscheidung über die Zusammensetzung des nächsten Bundestags fiel erst spät in der Wahlnacht. Die Bundeswahlleiterin fügte die Stimmen der letzten Wahlkreise hinzu, doch die westdeutschen Städte konnten am Gesamtbild nichts mehr ändern. Das BSW scheiterte mit 4,972 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde, verfehlte diese damit um exakt 13.435 Stimmen.
Die FDP erlebte dagegen eine schwerwiegende Niederlage mit nur 4,3 Prozent und einer Ankündigung von Parteichef Christian Lindner, aus der Partei und Politik auszutreten.
Das knappe Scheitern von BSW und FDP zeigt, dass bei dieser Wahl eine signifikante Anzahl an Stimmen als “verschenkt” gelten, da 13,8 Prozent der Stimmen Parteien auf der falschen Seite der Fünf-Prozent-Hürde zuflossen. Dies bedeutet, dass rund 13,7 Prozent der Wähler im Bundestag nicht vertreten sind.
Ähnlich war es im Jahr 2013, als 15,7 Prozent der Wähler für Parteien stimmten, die die Hürde nicht überschreiten konnten. Damals gab es eine große GroKo und nur einen kleinen Oppositionsblock, was die Regierungsführung einfacher machte.
Sperrklausel schützt stabile Regierung
Die Fünf-Prozent-Hürde ist als Reaktion auf die instabile politische Situation während der Weimarer Republik eingeführt worden, um Zersplitterungen im Bundestag zu vermeiden. Bei der ersten Bundestagswahl 1949 galt die Hürde nur innerhalb der Bundesländer, während 1990 eine getrennte Ausweisung für Ost- und Westdeutschland stattfand.
Die Ergebnisse der Wahl bestätigen die Wirksamkeit der Sperrklausel: In einem hypothetischen Szenario mit einer Hürde von nur drei Prozent hätten Union und SPD keine Mehrheitsregierung bilden können.
Funktionsfähigkeit des Parlaments im Fokus
Wissenschaftler und Juristen diskutieren seit langem die Fünf-Prozent-Hürde, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß erklärt wurde. Die zentrale Frage bleibt, wie viel Wählerwillen man opfern möchte, um die Funktionsfähigkeit des politischen Systems zu sichern.
Im Jahr 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen für nicht verfassungsgemäß, da das EU-Parlament eine andere Struktur hat und keine Regierung wählt.
Mini-Erfolg für kleinere Parteien
Die Repräsentationslücke im neuen Bundestag wird deutlich bei der Betrachtung der Wahlberechtigten: Nur 70,8 Prozent werden künftig repräsentiert. Nahezu 6,8 Millionen Stimmen gingen an Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreichten. Dennoch haben einige kleinere Parteien wie die Freien Wähler und die Tierschutzpartei die 0,5-Prozent-Marke überschritten und Anspruch auf staatliche Finanzierung.