Ein historischer Moment im Bundestag: Erstmals erzielte ein Antrag mit Unterstützung der AfD eine Mehrheit. Die Partei stimmte den Migrationsplänen der Union zu, während SPD, Grüne und Linke schockiert reagieren.
Nach der Abstimmung zur Erhöhung der Grenzkontrollen äußerten sich Vertreter von SPD, Grünen und Linken empört. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Abstimmung als “schlechtes Zeichen für das Parlament und Deutschland”. Er kündigte an, Zeit zu benötigen, um das Ereignis zu verarbeiten, und nannte den Tag potenziell historisch.
Scholz betonte, dass er nach diesem Tag Merz (CDU) nicht mehr vertrauen könne, da dieser zuvor versichert hatte, dass solch eine Abstimmung nicht stattfinden würde.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erklärte, dieser Tag werde sich in die Annalen der Demokratie und in die Geschichte Deutschlands eintragen. “Wir sind empört”, fügte er hinzu. Katharina Dröge, Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, bezeichnete den Tag als “schwarzen Tag für unsere Demokratie” und als Zäsur für den Bundestag.
Die Union verabschiedete im Bundestag ihren Migrationsantrag, der unter anderem strengere Grenzkontrollen und konsequentere Abschiebungen vorsieht, in Zusammenarbeit mit der AfD und der FDP. Die Entscheidung, die Unterstützung der AfD zu nutzen, stieß auf massive Kritik, auch aus kirchlichen Kreisen.
“Die Brandmauer muss wieder aufgerichtet werden”
Dröge appellierte an CDU und CSU, zur Mitte der Gesellschaft zurückzukehren und die Zusammenarbeit mit der demokratischen Mitte zu stärken. Sie forderte von Friedrich Merz, Glaubwürdigkeit hinsichtlich künftiger Entscheidungen herzustellen und diese Zusammenarbeit sicherzustellen.
Mützenich bezeichnete den von der Union mit Stimmen der AfD beschlossenen Antrag als leichtfertig. Er betonte, dass die bevorstehenden Wahlen entscheidend dafür sein werden, ob diese Entscheidungen als unverantwortlicher Fehler gelten oder ob der Trend fortschreite.
Linke spricht von Dammbruch
Die Linke kritisierte ebenfalls scharf die Union. Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek äußerte sich nach der Abstimmung: “Ich hätte mir niemals gedacht, dass eine christlich-demokratische Partei solch einen Dammbruch vollzieht und mit Rechtsextremen paktiert.”
Reichinnek hob hervor, dass die Union diese Mehrheiten aktiv gesucht habe, was als großes Problem angesehen werde.
Merz bedauert Mehrheit mit der AfD
Merz bot nach der Abstimmung neuen Dialog mit SPD und Grünen an. Er betonte, dass er keine anderen Mehrheiten suche als die in der demokratischen Mitte und bedauere die entstandene Mehrheit.
Thorsten Frei, der Parlamentsgeschäftsführer der Union, forderte von der Bundesregierung effektive Maßnahmen in der Asylpolitik und sprach sich gegen die Vorstellung einer Minderheitsregierung aus.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki verteidigte das Abstimmungsverhalten seiner Fraktion und betonte, dass die Demokratie nicht durch das Abstimmungsverhalten geschädigt werde, sondern durch das zerfallende Vertrauen in die Mitte des Bundestages gestärkt werden müsse.
Weidel spricht von “großartigem Tag”
AfD-Kandidatin Alice Weidel bezeichnete das Votum als “großartigen Tag für die Demokratie” und sah es als Beweis für bürgerliche Mehrheiten. Sie forderte die Union auf, die ihrer Meinung nach undemokratische Brandmauer zu überdenken.
Weidel wies darauf hin, dass die Union früher die Begrenzung der Migration abgelehnt habe, nun jedoch Forderungen der AfD übernehme und rechnet mit einer weiteren Verschiebung zugunsten bürgerlicher Mehrheiten.
AfD-Chef Tino Chrupalla beschrieb die Abstimmung als “Zeitenwende in der Migrationspolitik” und hofft auf die Zustimmung zu einem neuen Gesetzentwurf.
Demonstration vor CDU-Zentrale in Berlin
Vor der CDU-Zentrale in Berlin demonstrierten am Abend mehrere Hundert Menschen gegen die Abstimmung von Union und AfD für eine schärfere Migrationspolitik. Die Kundgebung unter dem Motto “Brandmauer statt Brandstiftung” zog ca. 650 Teilnehmer an.