Analyse
Migration, Ukraine, Milliardeninvestitionen von Intel, Stress in der SPD und Zugewinne für Populisten – Kanzler Scholz steht vor großen Herausforderungen in Ostdeutschland, die den Wahlkampf belasten könnten.
Vor wenigen Tagen erhielt Olaf Scholz Rückhalt, als die Brandenburger SPD ihn als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nominierte.
In einer typischen Ansprache betonte Scholz: “In einer sehr herausfordernden Zeit ist es wichtig, die notwendigen Schritte für die Sicherheit unseres Landes zu unternehmen und gleichzeitig den Zusammenhalt sowie die Modernisierung zu fördern.”
In Potsdam zeigte sich die Schärfe der Probleme seiner Kanzlerschaft, besonders im Osten. Scholz verweist auf seinen Wahlkreis in Hamburg, doch die Herausforderungen dort sind unbestreitbar.
Asylwende in der Wahlheimat
100 Kilometer östlich von Potsdam beginnt der Grenzübergang zwischen der polnischen Stadt Slubice und Frankfurt (Oder). Auf Druck der Bundesländer, insbesondere Brandenburgs, wurden hier im Oktober 2023 stationäre Grenzkontrollen eingeführt.
Die Ampelregierung hatte sich vorgenommen, Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland zu entwickeln, hatte jedoch Schwierigkeiten mit der neuen Asylkrise, was zu Scholz’ Wende in der Politik führte: “Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.”
Intel-Flop droht
Ein Acker in Sachsen-Anhalt wird zum Symbol für Scholz’ Wirtschaftspolitik. Der US-Chipkonzern plant, in der Nähe von Magdeburg eine milliardenschwere Fabrik zu errichten, ein Schlüsselprojekt für Scholz’ Vision einer innovativen Wirtschaft.
Im Juni 2023 unterzeichnete Scholz mit dem Intel-Chef eine Förderung für die Fabrik, die anfänglich auf 6,8 Milliarden Euro geschätzt wurde, letztlich jedoch auf 9,9 Milliarden Euro aufgestockt wurde.
Bereits zu diesem Zeitpunkt war Intel in Schwierigkeiten, und die Pläne für Magdeburg wurden im September ausgesetzt. Wirtschaftsfachleute äußern Skepsis, dass das Unternehmen die Fabrik dennoch realisieren wird.
Diese Situation wäre eine enorme Enttäuschung für Scholz, da auch andere prestigeträchtige Projekte ins Wanken geraten. Nur das ESMC in Dresden bewegt sich voran, jedoch ist die Fördersumme von fünf Milliarden Euro ein erhebliches Risiko.
Beim vorgezogenen Kohleausstieg zeigen sich ebenfalls Schwächen. Scholz fand sich nur sporadisch als Unterstützer wieder, während die Diskussion vor allem vom grünen Wirtschaftsminister geführt wurde. In Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt konnte der Bund seinen Standpunkt nicht durchsetzen.
AfD und BSW wuchsen
Generell fehlten der Ampel in Ostdeutschland oft die erforderlichen Mehrheiten. Dies wurde bereits bei der Bundestagswahl sichtbar, wo die SPD zwar gewann, jedoch später mit den Herausforderungen durch den Ukraine-Krieg und die Inflation konfrontiert wurde.
Mitten in den Streit um Heizmethoden, insbesondere der Wärmepumpe, fiel die Landratswahl in Sonneberg, Thüringen, wo AfD-Kandidat Robert Sesselmann eine Abstimmung über bundespolitische Themen herbeiführte und als erster AfD-Landrat gewählt wurde.
Dieses Ereignis spiegelte sich bei späteren Kommunal- und Landtagswahlen wider, bei denen die AfD in Ostdeutschland teilweise um die 30 Prozent erreichte.
Anders als von der Union oder Sahra Wagenknecht suggeriert, sind Scholz und die Ampel nicht allein für den Anstieg der AfD verantwortlich, da die Partei bereits vor 2021 in Ostdeutschland stark war. Dennoch hat die interne Uneinigkeit der Ampel der AfD weitere Stärke verliehen.
Mit der Gründung des BSW unter Wagenknecht hat sich eine neue populistische Kraft etabliert, die sowohl Wähler von Linksparteien als auch von der SPD anzieht und in mehreren Bundesländern bereits bei den Wahlen significant punkten konnte.
Dauerthema Ukraine
Dies hängt eng mit der Ukraine-Politik zusammen. Viele Ostdeutsche stehen Waffenlieferungen kritisch gegenüber, was sich negativ auf Scholz’ Unterstützung auswirkt. Scholz versucht, sich durch seine Ablehnung von Taurus in einer Weise zu präsentieren, die ihm gegenüber Unionskandidat Friedrich Merz einen Vorteil verschafft.
Scholz’ Unterstützer in der Ost-SPD betonen, dass er bereit ist, sich den Herausforderungen zu stellen und aktiv in die Wahlkämpfe in Sachsen und Thüringen eingreift, um das Vertrauen in die SPD zu erhalten.
Kritiker innerhalb der SPD fordern jedoch mehr Konsistenz und wünschen sich, dass Scholz nicht ständig nach Erklärungen suchen muss, wie bei der umstrittenen Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen im Osten.
Frieden mit Dietmar Woidke
Der neue Koalitionsvertrag in Brandenburg wirkt sich belastend auf Scholz’ Wahlkampf aus, in dem steht, dass die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen kritisch gesehen wird und dass der Krieg in der Ukraine nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden kann.
Der Koalitionsvertrag wurde von Dietmar Woidke geschlossen, der bereits im Wahlkampf Abstand zu Scholz nahm. Scholz klärte im Bundestag die Position gegenüber der Ukraine und versicherte, dass der Vertrag die Unterstützung nicht beeinträchtigen würde.
Woidke verwies am Samstag auf den Landtagswahlkampf und trotz anfänglicher Umfrageergebnisse konnte die SPD trotz Widerständen erfolgreich abschneiden. Woidke nannte Scholz einen “starken Spitzenkandidaten.”
Scholz sagte anschließend: “Dietmar Woidke und ich arbeiten jetzt gemeinsam.” Dies gibt jedoch keinen Hinweis darauf, ob die internen Spannungen weiterhin bestehen werden.