Analyse
Seit Oktober 2023 haben sich Sahra Wagenknecht und die Linke getrennt. Nach vier Wahlen kann das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf eine beeindruckende Erfolgsserie zurückblicken. Dies steht im Zusammenhang mit der zunehmenden Popularität der Parteigründerin.
Sahra Wagenknecht trat an einem Oktobertag vor einem Jahr angespannt auf. Der langwierige Trennungsprozess von ihrer ehemaligen Partei war nun offiziell beendet. Sie kündigte die Gründung eines neuen Vereins an, mit dem Ziel, die neue Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht, ins Leben zu rufen.
“Wir leben in einer Zeit weltpolitischer Krisen”, erklärte die Bundestagsabgeordnete bei der Pressekonferenz. Sie führte die ansteigende Zahl an Konflikten und Kriegen an und beschrieb die aktuelle Bundesregierung als “die wohl schlechteste in der Geschichte der Bundesrepublik”.
Wagenknecht strebt an, AfD-Wähler zu gewinnen
Die Neugründung wird als historische Mission angesehen, was bereits beim ersten öffentlichen Auftritt des BSW deutlich wurde. Wagenknecht stellte klar, dass das BSW eine “seröse Adresse” für enttäuschte Demokratieanhänger werden soll, einschließlich derer, die möglicherweise zur AfD neigen. Der BSW-Geschäftsführer sagte: “Wir sind gekommen, um zu bleiben.”
Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgt das BSW eine Kombination aus sozialer und wirtschaftlicher Linkspolitik. Im Programm finden sich Forderungen, die gegen “Lohndrückerei” vorgehen und die Tarifbindung stärken sollen. Darüber hinaus fordert das BSW ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und mehr Engagement für Friedensverhandlungen. Die Partei vertritt ein neuartiges Spektrum im deutschen Parteiensystem, das sowohl linke als auch konservative Positionen vereint.
Parteienforscher: Wagenknecht-Partei schließt Lücke
Parteienforscher haben festgestellt, dass das BSW mit seinem Ansatz einen Nerv trifft. Viele Menschen in Deutschland tendieren dazu, wirtschaftlich sozialistisch, aber gesellschaftlich konservativ eingestellt zu sein, wodurch das BSW tatsächlich eine “inhaltliche Lücke” schließt.
Dieser Ansatz könnte zu den kürzlichen Wahlerfolgen des BSW beigetragen haben. Bei der Europawahl im Juni erzielte die Partei über sechs Prozent der Stimmen, gefolgt von zweistelligen Ergebnissen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg bei den Landtagswahlen, wo sie eine entscheidende Rolle spielt.
BSW zieht Stimmen von der Linken ab
Allerdings hat auch die AfD bei den letzten Landtagswahlen gut abgeschnitten und ist in Thüringen sogar die stärkste Kraft geworden. Umfragen deuten darauf hin, dass das BSW hauptsächlich Wähler der Linken, SPD oder Union anzieht.
Eine Umfrage zeigt, dass fast ein Drittel der BSW-Wähler ohne deren Kandidatur planen würde, für die AfD zu stimmen. Ob Wagenknecht tatsächlich AfD-Wähler gewinnen kann, bleibt abzuwarten.
Persönlichkeitsfaktor spielt eine entscheidende Rolle
Der Einfluss von Wagenknechts Persönlichkeit auf die Wähler ist enorm. Bei der Europawahl gaben fast 80 Prozent der BSW-Wähler an, ohne sie würden sie die Partei nicht unterstützen. Dies spiegelt sich auch im Merchandising wider, wo Produkte mit Wagenknechts Konterfei angeboten werden.
Politisch wichtiger sind jedoch die innerparteilichen Strukturen. Aktuell hat das BSW 922 Mitglieder und einen Bundesvorstand unter der Leitung von Wagenknecht. Auch zwölf Landesverbände haben sich mittlerweile gebildet, der letzte in Baden-Württemberg.
Intensive Verhandlungen um Regierungsbeteiligungen
Momentan stehen die Landesverbände in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Fokus, da die BSW-Spitze in Erfurt auf eine Regierungsbeteiligung hinarbeitet. Die Übernahme von BSW-Forderungen in Koalitionsverträge wird kritisch betrachtet.
Wagenknecht äußerte sich am Wochenende klar und sagte, dass noch wichtige Punkte offen seien, die für den Wahlkampf entscheidend sind. Sie kritisierte den CDU-Vorsitzenden für die Unterstützung von Waffenlieferungen an die Ukraine und betonte, dass sich die BSW von solchen Positionen distanzieren sollte. Dieser Vorfall zeigt, dass Wagenknecht Kontrolle über ihre Partei behalten möchte, auch auf Landesebene.
Neun Monate nach der Gründung zeigen sich bereits erste Spannungen im BSW. Wagenknecht strebt danach, mit einem klaren Markenkern in die nächste Bundestagswahl zu gehen. Regierungsbeteiligungen auf Landesebene könnten dieses Ziel jedoch destabilisieren. Es wird intensiv hinter den Kulissen um die Richtung der Partei gerungen, und der Ausgang bleibt ungewiss.